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„Jabloko“ wird wohl vor den Duma-Wahlen ausgebootet


Am 22. November fand eine Konferenz der hauptstädtischen Organisation der „Jabloko“-Partei statt, um ihre Führung zu wählen und keine Sanktionen des Justizministeriums zu bekommen. Einen Schlag gegen die Partei haben die Rechtsschützer geführt, indem sie ein Verfahren aufgrund einer Rechtsveranstaltung mit einer angeblichen extremistischen Ausrichtung gegen den „Jabloko“-Vorsitzenden Nikolaj Ryabkow einleiteten. Nach dem 4. Dezember wird er wohl das Recht verlieren, für irgendeinen Abgeordnetensitz zu kandidieren, und nicht die Parteiliste für die Wahlen zur Staatsduma anführen können. Wie die „NG“ in Erfahrung brachte, ist bisher keine Rede von einer Ersetzung Rybakows. Möchte aber der Gründer der Partei, Grigorij Jawlinskij, sie möglicherweise zum letzten Gefecht anführen?

Seit September vergangenen Jahres hat die Moskauer Parteiorganisation von „Jabloko“ weder einen Vorsitzenden noch einen amtierenden oder zeitweiligen Chef. Der Bevollmächtigte für die Angelegenheiten der hauptstädtischen „Jabloko“-Mitglieder war einige Zeit lang der stellvertretende Parteivorsitzende Maxim Kruglow (der jüngste durch die Aufsichtsbehörde Rosfinmonitoring auf die Liste der Terroristen und Extremisten gesetzt wurde). Jetzt läuft ein Strafverfahren gegen ihn.

Wie eine Quelle in der Partei der „NG“ berichtete, erfolge ein Kampf um die Moskauer Parteiorganisation zwischen den föderalen und lokalen „Jabloko“-Mitgliedern. Ihren Kandidaten für die Hauptstadt promoten Jawlinskij und Rybakow. Während aber früher dies gerade Kruglow gewesen war, so wird zu diesem jetzt wahrscheinlich der stellvertretende Vorsitzende der Moskauer Organisation, Kirill Gontscharow. Die „NG“ versuchte, dies zu präzisieren, jedoch war er für Kommentare nicht zu erreichen. Das Moskauer Team hat allem nach zu urteilen die Reihen um den Ex-Abgeordneten des hauptstädtischen Parlaments Sergej Mitrochin geschlossen, der in der Vergangenheit sowohl die Moskauer „Jabloko“-Organisation als auch die ganze Partei angeführt hatte. Mitrochin reagierte gleichfalls nicht auf Anrufe der „NG“. Allerdings gibt es Informationen, wonach er den Weg für seine jungen Mitstreiter freimachen könne.

Ein Trennlinie zwischen den föderalen und Moskauer „Jabloko“-Kräften besteht nicht nur in Bezug auf Personal- sondern auch hinsichtlich politischer Fragen inklusive der Thematik der Wahlkampagnen. Die „Jabloko“-Führungsriege besteht darauf, sich direkt jetzt auf eine pazifistische Agenda zu konzentrieren, die hauptstädtischen Aktivisten sind aber geneigt, ihre Meinung hinsichtlich unterschiedlicher Stadtprobleme den Wählern zu vermitteln.

Allerdings ergibt sich gegenwärtig für die „Jabloko“-Partei an sich ein globaleres Problem im Zusammenhang mit der Figur des Parteichefs. In Bezug auf Rybakow liegt im Wyborg-Stadtbezirksgericht von Petersburg bereits ein Ordnungsrechtsprotokoll aufgrund einer angeblichen Demonstration extremistischer Symbole vor. Dies wäre also Teil 1 des Artikels 20.3 des Ordnungsstrafrechts der Russischen Föderation. Und eine Bestrafung gemäß diesem Punkt blockiert der entsprechenden Person entsprechend der russischen Gesetzgebung den Weg zu jeglichen Wahlen. Solch ein Protokoll ist gleichfalls gegen die „Jabloko“-Abgeordnete im Stadtparlament von Petersburg Olga Schtannikowa erstellt worden. Ihr Fall wird am 27. November verhandelt. Und dies wird zu einem aufschlussreiches, wenn nicht gar orientierenden hinsichtlich der Gerichtsverhandlung gegen Rybakow, die für den 4. Dezember anberaumt worden ist, werden.

Allerdings bestehen praktisch keine Zweifel dahingehend, dass man Rybakow für schuldig befindet. Aufgrund derartiger Rechtsverletzungen bestraft man jetzt fast automatisch. Und es ergibt sich da, dass der „Jabloko“-Vorsitzende nicht die Parteiliste für die Staatsduma-Wahlen anführen kann, für deren Registrierung im Übrigen nicht einmal Unterschriften von Bürgern gesammelt werden müssen. Ergo wird man sich möglicherweise mit einer neuen Nummer 1 sowohl der Partei als auch der Kandidatenliste festlegen müssen. Diesbezüglich erläuterte noch ein Gesprächspartner der „NG“ in der „Jabloko“-Partei: „Wir werden wohl kaum früher einen Parteitag zur Neuwahl oder Wiederwahl des Vorsitzenden durchführen. Wahrscheinlich wird Rybakow bleiben. Er wird die organisatorische Arbeit leiten und als (Partei-) Sprecher auftreten. Wir haben wirklich nicht die Moskauer (Partei-) Konferenz vorgezogen durchgeführt, um das Justizministerium nicht zu erbosen. Und wir werden jetzt wohl die Partei nicht einmal einem minimalen Risiko aussetzen, indem wir außerplanmäßig den föderalen Vorsitzenden wechseln“.

Es sei daran erinnert, dass gerade Rybakow „Jabloko“ im Wahlkampf zu den Duma-Wahlen im Jahr 2021 angeführt hatte. Und da war er überhaupt allein im föderalen Teil der Parteiliste. Die Quelle der „NG“ merkte an, dass jene Kampagne „die erfolgloseste in der ganzen Geschichte“ gewesen sei. „Jabloko“ erreichte nur 1,34 Prozent der Stimmen. Die Wahlen, bei denen im föderalen Teil der Liste viele Namen standen, waren weitaus erfolgreicher. Im Jahr 2011 kam die Partei beispielsweise auf 3,43 Prozent der Stimmen und erhielt das Recht auf eine staatliche Finanzierung (Parteichef war damals Mitrochin – „NG“). Freilich waren es im Jahr 2016 bereits 1,99 Prozent, wobei da Emilia Slabunowa Vorsitzende der „Jabloko“-Partei gewesen war. Im Übrigen hatte bei eben diesen Wahlen Jawlinskij die Top-10 des föderalen Teils der Parteiliste angeführt. Folglich kann er auch jetzt durchaus als elektorales Zugpferd auftauchen. „Dies ist die einzige offenkundig mögliche Form, um die Partei zu schützen. Außerdem besitzt Jawlinskij den höchsten Bekanntheitsgrad unter den Wähler“, erklärte die Quelle der „NG“.

Sie präzisierte aber, dass dies auch bisher nicht einmal hinter den Kulissen diskutiert werde. Es sei angemerkt, dass solch eine Diskussion allem nach zu urteilen auch nicht beginnen wird. Und dies, weil Jawlinskij wahrscheinlich wohl kaum möchte und möglicherweise auch einfach nicht kann. Um dies zu verstehen, muss nur zum Strafverfahren gegen den bereits erwähnten Kruglow zurückkehren, den die Behörden zuvor auf die Liste der Terroristen und Extremisten setzten. Das Problem von „Jabloko“ besteht darin, dass vor kurzem der Begriff „extremistische Gemeinschaft“ und der entsprechende Paragraf im Strafgesetzbuch Russlands auf neue Weise formuliert worden sind. Das Wesen der Modifizierung besteht darin, dass ein Urteil gegen eine Person ausreichend ist. Und danach kann man jegliche seiner Kontakte kriminalisieren, die in der Gesamtheit auch die gesuchte Gemeinschaft von Extremisten ausmachen werden. Doch solch einer, selbst wenn sie sich völlig zufällig mit einer offiziell registrierten Partei deckt, wird niemand erlauben, zu Wahlen anzutreten.

P. S.

Am Samstag (nach Redaktionsschluss für den vorliegenden Beitrag) fand die Konferenz der Moskauer „Jabloko“-Parteiorganisation statt. Auf der wurde Kirill Gontscharow zum neuen Vorsitzenden gewählt. Für ihn wurden 34 Stimmen bei zwei Gegenstimmen und drei Enthaltungen abgegeben.