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Kämpfer für die militärische Sonderoperation gewinnt man auch ohne eine Mobilmachung


An der personellen Auffüllung der russischen Armee mit Vertragsmilitärs beteiligen sich aktiv die Leiter der Subjekte Russlands. Und dank deren Aktivitäten sind seit dem 1. Januar dieses Jahres „auf Vertragsgrundlage um die 280.000 Personen in die Reihen der Streitkräfte der Russischen Föderation aufgenommen worden“, erklärte am Wochenende der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates, Dmitrij Medwedjew. Anfang August hatte er noch mitgeteilt, dass seit Jahresbeginn über 231.000 Personen mit dem Verteidigungsministerium abgeschlossen hätten. Somit ist es gelungen, innerhalb eines Monats 50.000 Kämpfer für die Truppen zu gewinnen. Solch eine Anzahl reicht, um eine ganze moderne Armee auf die Beine zu stellen.

Dass eine derartige Armee, aber auch ein Armeekorps und fünf Panzerregimenter in den Streitkräften der Russischen Föderation bereits gebildet worden seien, informierte im letzten Juni Verteidigungsminister Sergej Schoigu das Staatsoberhaupt Russlands. Er betonte, dass in diese Verbände und Truppenteile 3786 Gefechtsfahrzeuge und andere Militärtechnik geliefert worden seien. Laut offiziellen Angaben absolvieren derzeit die Reserveformationen die Etappe einer aktiven Gefechtsausbildung, um in der nächsten Zeit die gestellten Aufgaben zu lösen, darunter auch in der Zone der militärischen Sonderoperation in der Ukraine (die bereits den 558. Tag andauert – Anmerkung der Redaktion).

Sowohl westliche Massenmedien als auch ukrainische Spitzenvertreter und russische offizielle Persönlichkeiten haben bereits berichtet, dass die Truppen der Russischen Föderation, die in der Zone der Sonderoperation handeln, das Eintreffen frischer Reservetruppenteile und -einheiten an der Front erwarten würden. Dabei erklären in Kiew Spitzenmilitärs und Politiker – augenscheinlich im Rahmen des Informationskrieges -, dass derartige Reserven der russischen Armee die bereits drei Monate andauernde Gegenoffensive der Streitkräfte der Ukraine, die von der Saporoschje-Richtung zum Asowschen Meer vordringen wollen, nicht aufhalten könnten.

Der Befehlshaber der ukrainischen Truppen in der südlichen Richtung, General Alexander Tarnawskij, erklärte der britischen Zeitung „The Observer“, dass die ukrainischen Streitkräfte nach seinen Einschätzungen „die erste, die am stärksten befestigte Verteidigungslinie der Russen durchbrochen haben. Und für sie wird es möglicherweise im Weiteren leichter werden, besonders unter Berücksichtigung dessen, dass Russland schnell seine Reserven aufbrauche“. Die Meldungen des russischen Verteidigungsministeriums und die Publikationen in den Medien dementieren solche Erklärungen. Nach Einschätzungen des russischen Verteidigungsministeriums hätten die ukrainischen Streitkräfte in der Saporoschje-Richtung in der vergangenen Woche „44 erfolglose Versuche unternommen, um Attacken gegen Stellungen russischer Einheiten zu führen“. Für diese Richtung, gemeint ist der Raum Rabotino-Werbowoje, würde laut Informationen des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation „einer der letzten Verbände der strategischen Reserve, die 71. Jägerbrigade der ukrainischen Streitkräfte verlegt“.

Bisher hat es keine offiziellen Meldungen gegeben, dass Moskau irgendwelche große Reserven in die Zone der militärischen Sonderoperation verlege. „Man wird sie augenscheinlich später an die Front schicken. Wann dies erfolgen wird, ist ein Militärgeheimnis. Dass dies geschehen wird, löst bei keinem Zweifel aus“, sagte der Militärexperte und Oberst im Ruhestand Nikolaj Schulgin. „Wie auch die Pläne der Streitkräfte der Russischen Föderation keinen Zweifel auslösen, eine mächtige Offensive in den Richtungen Saporoschje und Süddonezk zu starten“. Der Experte erinnerte daran, dass bei der Tagung des Kollegiums des russischen Verteidigungsministeriums unter Beteiligung von Präsident Wladimir Putin zu den Jahresergebnissen im Dezember des Jahres 2022 erklärt wurde, dass das Verteidigungsministerium plane, die Anzahl der Militärangehörigen, die auf Vertragsgrundlage dienen, unter Berücksichtigung des Austauschs der im Rahmen der Mobilmachung eingezogenen Bürger in den Gruppierungen der Truppen und der Auffüllung neuer Formationen bis zum Jahresende bis auf 521.000 Menschen zu bringen. Um solch einen Wert zu erreichen, müssen in den nächsten vier Monaten in Russland rund 240.000 Vertragsmilitärs gewonnen werden. Das heißt, es müssen jeweils 60.000 im Monat gewonnen werden, hat Schulgin ausgerechnet. „Mit Beteiligung der Oberhäupter der Regionen, der örtlichen Behörden, Strukturen der Sicherheits- und Rechtsschutzkräfte sowie Militärkommissariate ist dies realisierbar. Dann muss man auch keine weitere Mobilmachung organisieren, um die Armee und anderen Sicherheits- und Rechtsstrukturen mit zusätzlichen Menschenreserven zu versorgen“, betonte er. Schulgin erinnerte gleichfalls daran, dass Putin im Juni dieses Jahres bei einem Treffen mit Militärkorrespondenten erklärt habe, dass „es gegenwärtig keine Notwendigkeit, eine zusätzliche Mobilmachung durchzuführen, gibt“.

Jedoch werde, wie der Experte meint, auch im neuen, im Jahr 2024 die Frage der personellen Auffüllung der Streitkräfte der Russischen Föderation nicht von der Tagesordnung verschwinden. Erstens müsse, wie Schoigu gegenüber dem Kremlchef im vergangenen Dezember erklärte, die Personalstärke der Streitkräfte bis auf 1,5 Millionen Militärs gebracht werden, darunter die Anzahl der Vertragsmilitärs bis auf 695.000 Menschen. Und Putin pflichtete diesem Vorschlag bei. Dies bedeutet, dass im kommenden Jahr noch 174.000 Vertragsmilitärs gewonnen werden müssen. Zweitens hat keiner die Frage der Anhebung der Personalstärke der Militärs im Grundwehrdienst in den Streitkräfte Russlands von der Tagesordnung genommen. „Unter Berücksichtigung der Einführung neuer erhöhter Strafen und anderer ordnungs- und strafrechtlicher Haftungsmaßnahmen aufgrund eines Umgehens einer Einberufung zum Militärdienst wird sich die Anzahl der Grundwehrdienstleistenden in den Truppen ebenfalls erhöhen“, denkt Schulgin.