Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Kiew bittet die NATO um Kassettenbomben und weitreichende Raketen


Analytiker des US-amerikanischen Institute for the Study of War (ISW) stimmen den Schlussfolgerungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu, dass die vor 291 Tagen begonnene militärische Sonderoperation Russlands in der Ukraine ein „langwieriger Prozess“ sein könne. Dabei solidarisieren sich die Spezialisten aus dem ISW auch mit der Meinung von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg: Die russischen Kräfte seien bestrebt, eine operative Pause im Winter einzulegen, um sich umzugruppieren, wiederherzustellen und den Versuch zu unternehmen, eine größer angelegte Offensive im Frühjahr zu beginnen. Vor diesem Hintergrund erklärte der Präsident der Ukraine, Wladimir Selenskij, gegenüber der Zeitung „Politico“, dass „er an einen Einzug von Frieden in der Ukraine bereits im nächsten Jahr glaubt“.

Ursache für solch eine Gewissheit des ukrainischen Staatsoberhauptes in einen „Sieg“ können die Verteidigungshaushalte der USA und anderen NATO-Länder sein, die auf eine effektive Unterstützung von Kiew und dessen Streitkräfte abzielen.

Jene etwa 800 Millionen Dollar an Hilfe für die Ukraine, die im Pentagon-Haushalt für das Jahr 2023 ausgewiesen wurden, sind lediglich ein geringer Teil aller Ausgaben, die die USA für eine Unterstützung für die ukrainischen Streitkräfte planen. Die Nachrichtenagentur Reuters veröffentlichte Daten, wonach die amerikanische Administration für diese Ziele vom Kongress 37 Milliarden Dollar erbeten hätte. Von dieser Summe seien 21,7 Milliarden für militärische Zwecke. Dies wird nicht mit dem Pentagon-Etat verbunden sein. Es sei daran erinnert, dass laut Angaben des US-Verteidigungsministers Lloyd Austin die Amerikaner im Jahr 2022 bereits militärische Hilfe für die ukrainischen Streitkräfte über eine Summe von mehr als 20 Milliarden Dollar bereitgestellt haben.

Zum Vergleich: Der gesamte Militärhaushalt Russlands für das laufende Jahr macht insgesamt rund 75 Milliarden Dollar aus (freilich sind die Preise für Waffen zwischen beiden Ländern nicht so einfach vergleichbar, so dass der Vergleich teilweise hinkt – Anmerkung der Redaktion). Das heißt: Die Amerikaner haben in diesem Jahr für die ukrainischen Streitkräfte eine Summe bereitgestellt, die ein Drittel aller offiziell ausgewiesenen Militärausgaben der Russischen Föderation ausmacht. Weitaus mehr planen sie und ihre Verbündeten, im kommenden Jahr für die Ukraine bereitzustellen. Die eigenen Verteidigungsausgaben für das kommende Jahr hat Kiew in einem Umfang von mehr als 31 Milliarden Dollar geplant, was fast die Hälfte des gesamten Ausgaben-Teils (44 %) des Landesetats ausmacht. „Wenn man dazu die fast 22 Milliarden Dollar, die die USA bereit sind, Kiew zu geben, und die rund zehn Milliarden Euro von anderen NATO-Ländern hinzufügt, so werden die Militärausgaben in der Ukraine im Jahr 2023 den russischen nahekommen“, resümiert der Militärexperte und Oberst im Ruhestand Nikolaj Schulgin. Er merkt an, dass in der Ukraine rund eine Million Reservisten mobilisiert worden seien, in der Russischen Föderation – etwas mehr als ein Drittel von dieser Anzahl.

„Solche Potenziale und Ausgaben, aber auch die nicht weniger gewichtige naturale Militärhilfe von den NATO-Ländern haben bereits erlaubt, das Gefechtspotenzial der ukrainischen Streitkräfte auf dem nötigen Stand zu halten. Kiew wurden im Jahr 2022 neben sowjetischen Waffen aus einstigen sozialistischen Ländern Europas bereits über eine Million Geschosse für 155-Millimeter-Artilleriegeschütze aus NATO-Fertigung, die den ukrainischen Streitkräften im Frühjahr und Sommer dieses Jahres übergeben wurden, hochpräzise Geschosse für HIMARS-Mehrfach-Raketenwerfer, moderne System für die Luftverteidigung, Drohnen, aber auch technische Mittel und Waffen für die Führung eines funkelektronischen Kampfes und gegen Schiffsbatterien geliefert“, berichtet der Experte.

Die Führung der ukrainischen Streitkräfte möchte aber mehr. Unter anderem Lieferungen von Waffen, die in der Lage sind, den Gegner massenhaft zu vernichten. Und dabei in einer größeren operativ-taktischen Tiefe. Der US-Fernsehkanal CNN meldete unter Berufung auf amerikanische und ukrainische Quellen, dass sich die Kiewer Offiziellen „in den letzten Monaten an die Administration des US-Präsidenten und die Mitglieder des Kongresses mit dem Appell gewandt haben, Gefechtsköpfe mit Kassetten-Munition der Ukraine zur Verfügung zu stellen. Laut CNN-Angaben habe die Administration von Joseph Biden die Bitte Kiews in der Anfangsetappe zurückgewiesen und diese Variante als letztes Mittel nicht ausgeschlossen hätte, wenn die Vorräte an anderer Munition für Lieferungen versiegen.

„Allem Anschein nach sind Kassettenmunition für die ukrainischen Streitkräfte Fliegerbomben, Artilleriegeschosse und Raketen, deren Gefechtsköpfe mit einer Vielzahl kleiner Sprengsätze versehen sind, die beim Zielanflug den Gegner in einem Radius von mehreren hundert Metern vernichten können. Sie wirken hinsichtlich von Plätzen und sind besonders in Ortschaften effektiv“, berichtete der „NG“ der Militärexperte und Generalleutnant im Ruhestand, Jurij Netkatschjow. „Solche Gefechtsköpfe mit einem Ausstreuen von Infanterieminen des Typs „Blütenblatt“ haben die ukrainischen Streitkräfte bereits im Donbass eingesetzt, als man gegen die russischen Truppen und Ortschaften Munition des taktischen Raketenkomplexes „Totschka-U“ verwendete“.

Vor diesem Hintergrund wurde über die Entwicklung und Lieferungen von Drohnen für die ukrainischen Streitkräfte berichtet, die in der Lage seien, in einer operativ-taktischen Tiefe von bis zu 1000 Kilometern und mehr zu wirken. Lloyd Austin betonte im Zusammenhang damit am Donnerstag, dass „Washington Kiew nicht störe, eigene Waffen großer Reichweite zu entwickeln“. „Folglich kontrolliert das Pentagon diesen Prozess. Offensichtlich erfolgt in der Ukraine unter Beteiligung amerikanischer Spezialisten die Entwicklung hochpräziser Waffen, die in der Lage sind, Ziele über mehrere hundert Kilometer von der Gefechtslinie mit den russischen Truppen“, vermutet General Netkatschjow, wobei er keine konkreten Beweise vorlegt.

„Unter diesen Bedingungen müssen die Streitkräfte der Russischen Föderation den Prozess der Einflussnahme auf das militärische Potenzial der Ukraine erheblich verstärken. Russland hat Mittel, um dem Gegner einen garantierten Schaden zuzufügen und ihn zu einem Frieden zu Moskaus Bedingungen zu zwingen. Man muss entschieden handeln, um so schnell wie möglich diese militärische Sonderoperation zu beenden und einen Sieg zu erringen“, erklärte der Experte gegenüber der „NG“.