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Militärelektronik der NATO soll im Donbass getestet werden


Die Ukraine schlägt den NATO-Ländern vor, ihre neuesten Muster von Mitteln für den funkelektronischen Kampf im Donbass zu testen. Dies erklärte Verteidigungsminister Andrej Taran, der in Litauen auf einer internationalen Konferenz zu Fragen der ukrainischen Reformen auftrat. Nach Aussagen informierter Quellen seien am Rande des Forums auch andere Varianten für ein Zusammenwirken erörtert worden, die unter anderem mit einer Nutzung der ukrainischen militärischen Infrastruktur zusammenhängen.

Die Konferenz zu Fragen der Reformen in der Ukraine fand in diesem Jahr das vierte Mal statt und wurde in Vilnius ausgerichtet. Im Jahr 2017 hatten sich die westlichen Partner mit ukrainischen Spitzenvertretern in London getroffen, im Jahr 2018 – in Kopenhagen, 2019 – in Toronto. Diskutiert wurden unterschiedlichste Fragen im Zusammenhang mit der Entwicklung der Ukraine. Gesonderte Aufmerksamkeit wurde dem Verteidigungsbereich geschenkt.

Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij gab den Ton vor, indem er betonte, dass Kiew von der NATO eine konkrete Auflistung der Aufgaben erwarte, deren Erfüllung die Ukraine der Unterzeichnung eines Aktionsplans für den Erhalt einer Mitgliedschaft in der Allianz näherbringen könnte.

Das Thema griff der ukrainische Verteidigungsminister Taran auf, der erklärte, dass die bereits durchgeführten Reformen, „multipliziert mit den Kampferfahrungen der Streitkräfte der Ukraine und anderer Verteidigungskräfte, die Ukraine bereits näher zur NATO bringen, möglicherweise sogar mehr als andere Mitglieder der Allianz“. Der Verteidigungsminister unterstrich, dass die ukrainische Armee von den sowjetischen Prinzipien und Standards abgegangen sei. „Meine Idee besteht nicht darin, die ukrainischen Streitkräfte nicht den NATO-Standards ausschließlich im Sinne einer Entsprechung der Waffenkaliber oder Uniformen nahezubringen. Man muss sich der Allianz im Sinne einer gegenseitigen Kompatibilität annähern. Wir müssen imstande sein, gemeinsam Operationen durchzuführen, wir müssen einander verstehen, wir müssen denken, wie man in der NATO denkt. Wir haben einen gemeinsamen Feind – Russland. Und es ist nicht nur für die Ukraine eine Bedrohung. Dies ist eine Gefahr für die westliche Gemeinschaft, für die Demokratie in der ganzen Welt“.

Während der Konferenz wurden unterschiedlichste Aspekte der Zusammenarbeit diskutiert, beispielsweise die Verteidigung der Seegrenzen. Im vergangenen Herbst wurde bekannt, dass NATO-Mitglieder der ukrainischen Seite helfen werden, von Null an zwei Marinestützpunkte an der Küste des Asowschen und des Schwarzen Meeres zu errichten. Im Verlauf des London-Besuchs von Wladimir Selenskij wurde ein Memorandum über eine Verstärkung der bilateralen Zusammenarbeit im militärischen und militärtechnischen Bereich unterzeichnet. Damals hatten Vertreter des Office des ukrainischen Präsidenten unterstrichen, dass es um ukrainischen und keine ausländischen Stützpunkte gehe, die Ukraine aber das Recht habe, ausländische Spezialisten für die Arbeit in diesen Stützpunkten und für die Ausbildung ihrer Militärs zu gewinnen.

Hervorgehoben sei, dass in der Gesetzgebung Normen existieren, die erlauben, ein ausländisches Kontingent nicht nur für die Teilnahme an Militärmanövern auf das ukrainische Territorium zu lassen. Bereits im Jahr 2015 hatte die Werchowna Rada (das Landesparlament – Anmerkung der Redaktion) Änderungen am Gesetz „Über die Modalitäten für eine Zulassung von Streitkräften anderer Staaten auf das Territorium der Ukraine“ beschlossen. Seitdem können Militärs aus NATO-Ländern „auf Bitten der Ukraine zur Gewährung militärischer Hilfe bei der Abwehr, Verhinderung und Beendigung einer bewaffneten Aggression seitens eines dritten Landes oder Länder“ zum Einsatz gebracht werden. (Es geht hierbei um eine Abstimmung der Werchowna Rada, deren Ergebnisse durch die Unterschriften des Parlamentsvorsitzenden und des Präsidenten der Ukraine bestätigt wurden. – „NG“) Andere Gründe für einen Einsatz ausländischer Militärs sind die Teilnahme an einer Blauhelm-Operation oder die Betreuung von zeitweilig auf dem Territorium der Ukraine entsprechend internationalen Verträgen stationierten Truppenteilen. In allen aufgezählten Fällen können die Zeiträume für den Aufenthalt des ausländischen Kontingents auf dem ukrainischen Territorium nicht eingeschränkt werden.

Bisher hatte die Werchowna Rada keine derartige Entscheidung getroffen. Dementsprechend sind keine westlichen Militärangehörigen auf ukrainischen Militärstützpunkten disloziert worden. Gemäß einzelnen Verträgen arbeiten in Friedensregionen des Landes nur Militärinstrukteure aus NATO-Mitgliedsländern. Die Opposition fordert von den ukrainischen Offiziellen, sich in dieser Frage weiter vorwärtszubewegen. Jüngst schrieb die Abgeordnete Irina Fris von der Petro-Poroschenko-Partei „Europäische Solidarität“ in den sozialen Netzwerken: „Ich schlage vor, im Rahmen des Strebens der Ukraine nach einer Mitgliedschaft in der NATO und unter den Bedingungen der Zuspitzung der Beziehungen Russlands  mit dem Nordatlantikpakt Militäreinheiten von NATO-Ländern zu erlauben, auf dem Territorium von Truppenteilen der Ukraine zu verweilen und (die ukrainischen Stützpunkte – „NG“) zwecks logistischer Ziele während der Erfüllung ihrer Aufgaben zu nutzen. Ich bin davon überzeugt, dass solche Maßnahmen praktische Hilfe beim Herankommen der Ukraine an die NATO-Standards leisten sowie die gegenseitige Kompatibilität und das Niveau des Zusammenwirkens mit den ukrainischen Streitkräften verbessern werden“.

Offiziell werden solche Projekte bisher nicht diskutiert. Laut einer Meldung der Nachrichtenagentur „Ukrinform“ erklärte der ukrainische Verteidigungsminister in Vilnius: „Wir haben bestimmte Schritte zur Installierung von Warnsystemen für die Kontrolle der Situation auf See, unter Wasser und in der Luft unternommen. Man muss sich aber zu einer weiteren Hilfe seitens der NATO vorwärtsbewegen. Wir können dem NATO-Hauptquartier Informationen bereitstellen, sagen wir einmal für die Erhöhung der Fähigkeit der Länder der Allianz, auf dem Territorium der Ukraine zu handeln und zu beobachten. Wichtig ist gleichfalls der gemeinsame Erhalt von Informationen, die man bei einer Abwehr einer russischen Aggression nutzen kann“. Für den Anfang könnten nach Aussagen Tarans die NATO-Mitglieder die Effektivität ihrer neuesten Systeme für den funkelektronischen Kampf überprüfen. „Russland nutzt den Krieg im Donbass als ein Übungsgelände für das Testen neuer Arten von Waffen, den funkelektronischen Kampf und den Kampf gegen Kommunikationssysteme. Und wir bekommen Muster von Kommunikationsmittel aus dem Westen, die (die russischen Systeme) unterdrücken… Wir laden Sie ein, uns neue Systeme zur Verfügung zu stellen, um deren Möglichkeiten im Kampf gegen die russischen Systeme für den funkelektronischen Kampf in einem modernen Krieg zu testen“.

Unbekannt ist, ob man im Westen das ukrainische Angebot angenommen hat. Während in Vilnius die internationale Konferenz zu den ukrainischen Reformen stattfand, erfolgten jedoch in Kiew Stabsgespräche zwischen dem Kommando der Landstreitkräfte der ukrainischen Armee und der NATO. Dies meldete die Agentur „ArmiyaInform“. „Ukrainische Offiziere arbeiten mit Vertretern ausländischer Armee in Gruppen zusammen… Dies ist ein Erfahrungsaustausch zu Fragen der Ausbildung und Vorbereitung der Waffengattungen, zur Planung und Durchführung von Operationen, Militärmanövern, zur Leitung und Führung von Kampfhandlungen, zur Organisierung der Militärfunkverbindungen, Aufklärung…“

 

  1. S. der Redaktion «NG Deutschland»

Die Reiselust des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij hat in diesen Tagen einen Dämpfer erhalten. Bekanntlich hatte er gehofft, noch bis Ende Juli den Vereinigten Staaten einen Besuch abzustatten, um ein ganzes Spektrum von für Kiew wichtigen Fragen im Weißen Haus zu erörtern. Es entstand gar der Eindruck, dass alles nur noch eine Formsache sei. Außenminister Dmitrij Kuleba musste nun aber am 5. Juli klarstellen, dass der angepeilte Zeitraum Ende Juli ein Wunsch der Kiewer Seite in Sachen eines Washington-Besuchs gewesen sei. Dem will die Biden-Administration am Potomac-River nicht zustimmen (Gründe gibt es dafür sicher mehr als genug) und erklärte, dass frühestens August möglich sei. Selenskij kann da also nur die Hoffnung hegen, dass er zumindest bis zum 30. Jahrestag der Unabhängigkeitsfeiern den Besuch über die Runden bringt, um dann mit Erfolgsmeldungen vor dem ukrainischen Volk auftreten zu können.