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Moskauer Patriarchat setzt auf Verfechter der Kircheneinheit


Der Exarch des Patriarchen in Weißrussland, Metropolit Pawel (Ponomarenko), hat bei der am 25. August stattgefundenen Synode der Russischen orthodoxen Kirche (ROK) den Rücktritt eingereicht. Patriarch Kirill hat zusammen mit den Hierarchen dieser Bitte stattgegeben und den aus dem Verwaltungsgebiet Brest stammenden Bischof Weniamin (Tupeko) zum neuen Exarchen ernannt.

„Der Heilige Synod hat die Bitte des Patriarchen-Exarchen von Ganz Weißrussland, des Metropoliten von Minsk und Saslawl Pawel um eine Entbindung vom Amt des Patriarchen-Exarchen von Ganz Weißrussland angenommen und ihm Dank für die geleisteten Arbeiten bekundet“, heißt es in den Abschlussdokumenten der Hierarchen-Tagung. Der 68jährige Metropolit Pawel hatte seit 2013 das Exarchat in Weißrussland geleitet, doch für die Republik ist er dennoch keiner „von den eigenen“ geworden und hat sogar die weißrussische Staatsbürgerschaft nicht erhalten.

In der letzten Zeit hatte man seine Figur immer häufiger mit Moskau in Verbindung gebracht. Vor diesem Hintergrund kamen darüber Gespräche auf, dass für eine vollständige Unabhängigkeit Weißrusslands die Republik nicht nur einen Präsidenten, sondern auch eine neue orthodoxe Kirche, die sich nicht der ROK unterordne, brauche, ähnlich jener, die Ende 2018 in der Ukraine entstand. Am 18. August hatte Alexander Lukaschenko unter Verweis auf das Programm des oppositionellen Koordinierungsrates scharf den angeblich dort vorkommenden Punkt über die Notwendigkeit der Bildung einer autokephalen Kirche kritisiert. 2Wir sind stets darauf stolz gewesen, dass wir einen multikonfessionellen Frieden haben, dass keiner keinen stört. Weder den Orthodoxen noch den Katholiken. Bei uns leben zufriedene Moslems, Juden usw. Wir stürzen uns jetzt in einen Krieg, in einen interkonfessionellen Kampf und auf diesem Boden in einen zwischennationalen. Und es ergibt sich: Das, worauf wir stets stolz waren, wird verworfen und mit Schande befleckt“, unterstrich Lukaschenko.

Ihrerseits wies die Vertreterin der Opposition, Natalia Wassiljewitsch, diese Vermutungen zurück. „In den sozialen Netzwerken wird unter den orthodoxen Gläubigen die Falschinformation verbreitet, dass der von Swetlana Tichanowskaja initiierte Koordinierungsrat die Bildung bzw. Wiederherstellung der Weißrussischen autokephalen orthodoxen Kirche als Gegengewicht zur Weißrussischen orthodoxen Kirche (des Moskauer Patriarchats) plane. Zum unmittelbaren Anlass für solch eine Information wurde das in Google-Cache gefundene Programm aus der Feder des stellvertretenden Vorsitzenden der Partei Weißrussische Volksfront, Alexej Janukewitsch, das im Juni dieses Jahres auf einer Seite mit einer Kollektion verschiedener Vorschläge von Reformen für die Kandidatin Swetlana Tichanowskaja gepostet worden war, im Weiteren aber gelöscht wurde. Im Ergebnis der Arbeit zur Analyse der Vorschläge wurde das Programm der Kandidatin Swetlana Tichanowskaja ausformuliert. Einige Vorschläge flossen in dieses ein, einige andere wurden abgelehnt“, schrieb die Aktivistin am 25. August auf ihrer Facebookseite. Ihren Worten zufolge war die Frage nach der Autokephalie nicht in das Abschlussprogramm des Rates eingeflossen. 

Dennoch hat man in der ROK beschlossen das weißrussische Exarchat nicht so sehr mit einem eigenen Mann zu verstärken, als vielmehr mit einem, der kein „Fremder“ für die Gläubigen der Republik wäre. Bischof Weniamin (Tupeko) ist in Weißrussland geboren worden und aufgewachsen und absolvierte die Minsker Geistliche Akademie. In den letzten Jahren leitete er die Diözese von Borissow, die unweit von Minsk liegt. Tupeko ist als ein leidenschaftlicher Anhänger der Einheit der Völker Russlands, der Ukraine und Weißrusslands und ein Gegner einer Autokephalie. 

„Die Absetzung von Metropolit Pawel und die Einsetzung von Weniamin sind eine direkte Umsetzung jener Androhungen gegenüber der Kirche, die Lukaschenko am Freitag geäußert hatte“, kommentierte die Entscheidungen der Synode der ROK der Geistliche Alexander Schramko, der durch seine oppositionellen Anschauungen Bekanntheit erlangte. „Metropolit Pawel wurde „seinen Aufgaben nicht gerecht“. Er schwankte, zweifelte, bat um Vergebung, veranstaltete Gebete und ergriff keine Maßnahmen gegen mehrere, den Protesten sympathisierenden Geistlichen. Ja, und er stand auch nicht besonders beim Diktator in Ehren. Weniamin dagegen zeigte sich als ein fester und treuer Anhänger des Regimes. Grodno und Borissow, dies sind zwei entgegengesetzte Pole in der WOK (Weißrussischen orthodoxen Kirche – Anmerkung der Redaktion). Außerdem ist Weniamin überhaupt ein Konservativer und wird – ich fühle es – „Ordnung schaffen“. Dabei ist er an und für sich kein starker Leiter und wird eine hörige Marionette in den Händen der Herrschenden sein. Im Zusammenhang damit stellt sich die Frage: Ist er nicht etwa eine technische Figur? Wird nicht etwa Platz gemacht für einen anderen, einen noch stärker Verrufenen?“ Und Schramko kann möglicherweise Recht haben, wenn man sich mit den ersten Erklärungen des neuen weißrussischen Kirchenoberhaupts vertraut macht. Bischof Weniamin erklärte so am Mittwoch: „Die letzten traurigen Ereignisse in unserem Vaterland ereigneten sich, weil sich unsere Herzen einer unguten Seiten hinzuneigten, weil das Licht Christi nicht in dieser finsteren Zeit erstrahlen konnte, als sich die Sünde der Gesetzlosigkeit offenbarte. Ich glaube daran, dass, wenn wir beseelt, mit Inbrunst und einmütig unsere Absicht erfüllen, diese drei Tage in einem Festen, Gebet und in Buße verbringen, so werden wir schnell ein Zeichen des Himmels erblicken und begreifen, was wir, die Einwohner von Belarus, brauchen, um das Böse durch Gutes zu bezwingen und im Weiterem kein Böses zuzulassen“. Also durch Fasten, Beten und Büßen könne man nach Auffassung des neuen Hierarchen die gesellschaftliche Konfrontation in der Republik beenden.    

Wie sich die Situation in Weißrussland entwickelte, verfolgten Autoren russischer Telegram-Kanäle. „Meister“ (https://t.me/maester) lenkt das Augenmerk darauf, dass zum Exarchen des Patriarchen für Ganz Weißrussland anstelle von Metropolit Pawel Bischof Weniamin wurde. „Natürlich verbindet die Kirche die Umbesetzung nicht mit der aktuellen Politik, doch sie wird gerade in einem politischen Kontext wahrgenommen. Metropolit Pawel geht, der vor sieben Jahren aus Moskau gekommen war und bis dahin der Kirche in Rjasan, Wien, in den USA und Kanada, in Pskow usw. gedient hatte, ein aus Karaganda stammender, der in Moskau eine Ausbildung erhalten hatte. Ihn löst Sohn des Brester Gebietes ab, der das ganze Leben in Weißrussland verbrachte und es nie nicht anders als ein Tourist verlassen hat. Bischof Weniamin ist ein bekannter Anhänger der Einheit der Rus und ein Gegner einer Autokephalie. Es wird erwartet, dass er eine härtere Haltung hinsichtlich der Verfechter einer Autokephalie (und die gibt es in der weißrussischen Kirche) als Metropolit Pawel einnehmen wird, den seine Stellung eines „aus Moskau Zugereisten“ störte“, schreiben die Autoren des Kanals.    

„Bischof Weniamin ist nicht mit politischen Statements aufgefallen. Er ist aber ein Gegner einer Autokephalie der WOK. Ihm steht eine äußerst schwierige Mission bevor. So unterstützt Erzbischof Artemij von Grodno und Wolkowysk in seinen Predigten und öffentlichen Auftritten offen die Oppositon“, setzt das Thema „Gedanken laut geäußert“ (https://t.me/mysly) fort.