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Nach verpasster russischer „Party“ nun Militarisierung der Arktis durch die Amerikaner?


Zwischen der Russischen Föderation und den NATO-Ländern beginnt scheinbar eine neue Konfrontationsrunde im Zusammenhang mit den Interessen in der Arktis. Von einer russischen Bedrohung sprach US-Außenminister Mike Pompeo während seines jüngsten Dänemark-Besuchs, wobei er sich der Unterstützung seines dänischen Amtskollegen Jeppe Kofod versicherte. Die Vorwürfe Kopenhagens und Washingtons, wonach Moskau die Militärpräsenz in der Arktis verstärkt habe, fielen mit dem Beginn der aktiven Vorbereitung in Russland zu den Seeparaden zu Ehren des Tags der Seekriegsflotte zusammen. Im Nordatlantikpakt betrachtet man sie als eine Demonstration der Stärke.

Flottenparaden sind eine Tradition für Russland. Sie werden seit mehreren Jahrzehnten regelmäßig veranstaltet. Die Russische Föderation hat in der letzten Zeit ihre Marine-Stützpunkte in der Arktis fast aufs Neue errichtet. Dies kann man aber wohl kaum als eine übermäßige Militarisierung bezeichnen, da Russland in dieser Region lediglich die sowjetische Militärinfrastruktur wiederhergestellt hat. Für die Amerikaner ist dies jedoch kein Argument. Bereits im Mai 2019 hatte Pompeo beim Jahrestreffen des Arktischen Rates in Helsinki Russland und die Volksrepublik China kritisiert, wobei er erklärte, dass die „USA nicht ruhig zusehen werden, wie China die arktischen Gebiete in ein neues Südchinesisches Meer verwandelt“ und in der Arktis „bereits Spuren russischer Militärstiefel im Schnee zurückbleiben“. 

Genauso scharf und bildlich trat Pompeo auch in Dänemark auf. Er bekräftigte das Gesagte, wonach die USA „little late to the party in the Arctic“ („etwas zu spät bei der Party in der Arktis“) gekommen seien. Gleichzeitig bekundete Pompeo aber die Gewissheit, dass die Vereinigten Staaten und die anderen Länder des „Transatlantischen Bündnisses in der Arktis eine starke Wirtschaft aufbauen und dabei die Sicherheit gewährleisten können“. 

Dies sind nicht bloß Worte. Im Juni dieses Jahres beauftragte US-Präsident Donald Trump das Pentagon und andere entsprechende Institutionen, innerhalb von 60 Tagen einen Plan vorzubereiten, wobei „jegliche Varianten für eine Verstärkung der amerikanischen Präsenz in der Arktis“ vorzusehen seien, „um den Möglichkeiten der Russischen Föderation und der Volksrepublik China zu trotzen“. Der Plan solle auch „das gesamte Aufgabenspektrum der nationalen und ökonomischen Sicherheit inklusive einer Unterstützung der Aufklärung und Ausbeutung der Ressourcen, aber auch das Verlegen und Betreiben von Unterwasserkabeln“ umfassen. Seine Hauptaufgabe ist aber die Erweiterung der Marine um mindestens drei schwere Eisbrecher durch Washington, die bis zum Jahr 2029 gebaut werden sollen. 

Die Schaffung einer Eisbrecher-Flotte ist eine langwierige Angelegenheit. Daher haben bisher die USA mit Hilfe von NATO-Kräften die Organisierung ständiger Militärmanöver in der Arktis in Angriff genommen. Laut Informationen der 6. Operativen US-Flotte haben die NATO-Seekriegsmanöver „Dynamic Mongoose 2020“ (an denen zehn Schiffe und U-Boote der Seestreitkräfte der USA, Großbritanniens, Frankreichs, Kanadas, Deutschlands und Norwegens, aber auch Vertreter Islands) vom 29. Juni bis einschließlich 10. Juli vor der isländischen Küste stattgefunden. Ziel der Manöver waren „das Training von Gefechtsoperationen durch U-Boote und deren Operationen gegen andere U-Boote, die U-Boot-Bekämpfung durch Schiffe sowie die Vornahme von Flügen durch Patrouillenflugzeuge zwecks Kontrolle von Meeresabschnitten oder zur Blockierung von Flottenaktivitäten bei der Vorbereitung auf eine kollektive Verteidigung in Krisensituationen“. 

Militärische Marineaktivitäten in der Arktis demonstrieren außer NATO-Schiffe Schweden, Finnland und Russland. Dabei sind Schweden und Finnland Partner des Nordatlantikpakts. Es ist klar, dass die Absicht der veranstalteten Manöver vorrangig gegen die Schiffe der Seestreitkräfte der Russischen Föderation gerichtet war. Und augenscheinlich hatte man da nicht zufällig im Nationalen Zentrum für die Leitung der Verteidigung der Russischen Föderation erklärt, dass die russischen Militärs die Manöver der NATO im Nordatlantik und Europäischen Nordmeer beobachte. Und über 30 Schiffe, U-Boote und Versorgungsschiffe der russischen Nordmeerflotte wurden Anfang Juli dieses Jahres in der Barentssee für die Teilnahme an einer großangelegten Überprüfung und Fahrt konzentriert. Die Schiffe der Nordmeerflotte hielten sich in der Nähe der Grenzen Russlands zur Gewährleistung dessen Sicherheit auf. Dafür wurde auch die überraschende Überprüfung der Gefechtsbereitschaft der Streitkräfte der Russischen Föderation durchgeführt, die dieser Tage zu Ende ging. In der Nordmeerflotte teilte man mit, dass in der Zeit vom 18. bis 21. Juli in der Barentssee im Rahmen dieser Überprüfung „über 20 Schiffe, U-Boote und Versorgungsschiffe der Nordmeerflotte, sechs taktische Schiffsgruppen, rund zehn Flugapparate unterschiedlicher Typen, über 250 Waffenkomplexe sowie Militär- und Spezialtechnik und über 3000 Militärangehörige zum Einsatz gekommen waren“.

„Es sei angemerkt, dass all diese See- und Landstreitkräfte in der Arktis-Zone Russland auf seinem Territorium oder in Bereichen unweit seiner Grenzen disloziert“, erklärte gegenüber der „NG“ Eduard Rodjukow, Oberst der Reserve und korrespondierendes Mitglied der Akademie der Militärwissenschaften. „Derweil bemühen sich die USA und einige ihrer Verbündeten weit entfernt von ihren nationalen Territorien in unmittelbarer Nähe zur Russischen Föderation zu handeln. Die Amerikaner sind beispielsweise der Auffassung, dass der russische Militärstützpunkt Nagurskaja auf dem Archipel Franz-Josef-Land den amerikanischen Stützpunkt Thule (Thule Air Base) auf Grönland bedroht. Grönland ist aber kein amerikanisches Territorium. Der Archipel Franz-Josef-Land ist aber de jure Teil der Russischen Föderation. Russland hat etwas in der arktischen Zone, die sich unter seiner Jurisdiktion befindet, zu verteidigen. Und es tut dies, wobei es dort nicht nur militärische, sondern auch Forschungsaufgaben löst“.

Rodjukow lenkt die Aufmerksamkeit darauf, dass gleich nach der Flottenparade in Seweromorsk in der Nordmeerflotte gemeinsam mit der Russischen Geographischen Gesellschaft (RGG) zwei komplexe Expeditionen zur weiteren Erforschung der Region organisiert werden. Eine wird zu den arktischen Inseln des Nowaja-Semlja-Archipels aufbrechen, wo sich die Infrastruktur von Russlands einzigem Kerntestgelände befindet (gegenwärtig sind dort Kernwaffentests auf Eis gelegt worden). Gleichfalls werden in die Region des Nördlichen Seewegs (NSW) einschließlich in die Küstengebiete von Taimyr und Tschukotka Spezialtrupps entsandt, zu denen Militärspezialisten und Vertreter der RGG gehören werden. Sie werden nicht nur Aufgaben im Interesse der Militärs lösen, sondern auch die ökologische Situation der Routen und des Einzugsgebietes des NSW untersuchen. Ebenfalls werden sie eine Reihe wichtiger biologischer Experimente durchführen, abgelegene arktische Inseln aufsuchen sowie die Koordinaten des Reliefs vor Ort und der Küste präzisieren.