Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

NATO will Moskau für Minsk und Nawalnyj verantwortlich machen


Die Mitteilung des Bundeswehr-Labors, wonach im Organismus des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalnyj Spuren eines Giftes aus der Nowitschok-Gruppe gefunden worden seien, aber auch die Erklärung hinsichtlich der Möglichkeit einer militärischen Unterstützung Moskaus für das Regime von Alexander Lukaschenko können nicht nur neue Wirtschaftssanktionen gegen die Russische Föderation provozieren. Nicht abseits bleibt auch der militärische Bereich. 

Wahrscheinlich kann es um die Absprache neuer Verteidigungs- und Verbotsmaßnahmen langfristigen Charakters seitens einer Reihe von NATO-Ländern in Bezug auf Russland gehen. Der Kreml hält die Tatsache einer Vergiftung Nawalnyjs mit einem giftigen Kampfstoff für nicht bewiesen. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat aber bereits die Schlussfolgerungen der Militärs aus Deutschland in Bezug auf den Einsatz eines Gifts gegen den Oppositionellen unterstützt. „Ich verurteile kategorisch den Einsatz eines lähmenden militärischen Nervengifts, was die Durchführung einer vollständigen und transparenten Untersuchung durch Russland zu einer noch dringlicheren macht. Wir konsultieren uns mit Deutschland und allen NATO-Ländern hinsichtlich der Konsequenzen“, erklärte Stoltenberg. Das Wort „Konsequenzen“ bedeutet offensichtlich neue Sanktionen gegen Russland, das man schon lange für den Feind Nummer 1 hält. 

In einem ähnlichen Ton trat auch der Pressesekretär des National Security Council der USA, John Ullyot, auf. Er teilte mit, dass die Vereinigten Staaten „neue Sanktionen gegen Russland im Zusammenhang mit der Vergiftung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalnyj“ initiieren würden. In der vergangenen Woche hatten die USA bereits Sanktionen gegen zwei Forschungsinstitute des Verteidigungsministeriums Russlands aufgrund dessen bekanntgegeben, dass Washington angeblich „Gründe hat, diese Organisationen als an der Entwicklung von chemischen und biologischen Waffen beteiligte anzusehen“.

Man kann anmerken, dass die Tatsache einer Beteiligung an der Vergiftung des ehemaligen Obersts der russischen Militäraufklärung Sergej Skripal und seiner Tochter Julia im britischen Salisbury im März 2018 das offizielle Moskau bestritt und bestreitet. Doch die nach diesem Zwischenfall durch die USA und die EU verhängten Sanktionen gegen Russland haben sich in bekanntem Maße als die wirksamsten gerade im militärtechnischen Bereich erwiesen.

Dem in den USA verabschiedeten Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act (CAATSA: Bundesgesetz der Vereinigten Staaten von Amerika, das bereits vorher bestehende Sanktionen gegen den Iran, Nordkorea und Russland verschärft – Anmerkung der Redaktion) folgend, verhängte Washington im August 2018 gegen die Russische Föderation Sanktionen, die ein Verbot für den Verkauf von Waffen und die Finanzierung von Waffengeschäften, einen Verzicht auf eine Kreditvergabe seitens staatlicher Strukturen der USA und ein Exportverbot für Waffen und Technologien mit einer zweifachen Zweckbestimmung vorsehen. Darunter verhängte es auch das völlige Verbot für den Export elektronischer Anlagen und Bauteile mit einer zweifachen Zweckbestimmung nach Russland. Dieses Verbot halten in den Beziehungen mit Moskau nicht nur die Vereinigten Staaten ein, sondern praktisch alle entwickelten Industrieländer der Welt.      

Es ist kein Geheimnis, dass in Russland aufgrund der Probleme mit der Bauelemente-Basis in der Elektronik-Industrie und der Herstellung von Verbundmaterialien mehrfach die Indienststellung neuer Waffenarten verschoben wurde, aber auch hochtechnologischer ziviler Erzeugnisse, besonders in der Luft- und Raumfahrtindustrie.

So teilte im Dezember 2018 der Verteidigungsminister der Philippinen, Delfin Lorenzana, mit, dass sein Land vom Erwerb russischer Mi-171-Hubschrauber aufgrund der Gefahr, unter die Sanktionen der USA zu geraten, Abstand nehme. An deren Stelle kauften die Philippinen 16 Mehrzweckhubschrauber „Black Hawk“. Die Summe des möglichen Geschäfts mit der Russischen Föderation war damals auf mehr als 200 Millionen US-Dollar geschätzt worden. Im Jahr 2019 drohten die Vereinigten Staaten Ägypten mit Sanktionen aufgrund des möglichen Kaufs einer Partie von Su-35-Flugzeugen aus Russland. Ob Ägypten diese Flugzeuge nun gekauft hat oder nicht, ist unbekannt. Im März dieses Jahres verzichtete Indonesien unter dem Druck der USA auf den Kauf von elf Su-35-Jagdflugzeugen aus Russland über eine Summe von über einer Milliarde US-Dollar…

„Mir scheint, dass die Amerikaner, die Moskau bereits versprochen haben, wegen Nawalnyj „Vergeltung zu üben“, im Weiteren weiter auf die potenziellen Besteller russischer Waffen Druck ausüben und die Vertragsabschlüsse mit ihnen zum Platz bringen werden. Unter solchen Ländern können die Türkei, Indien, Vietnam, Ägypten usw. sein“, erklärte gegenüber der „NG“ Eduard Rodjukow, Oberst der Reserve und korrespondierendes Mitglied der Akademie der Militärwissenschaften. Er betonte gleichfalls, dass man von Washington im Zusammenhang mit der Unterstützung des gegenwärtigen weißrussischen Regimes durch Moskauunfreundliche Schritte erwarten müsse.

Der Experte verweist dabei auf eine Erklärung des stellvertretenden Unterabteilungsleiters für Angelegenheiten von Europa und Eurasien im US-Außenministerium (Deputy Assistant Secretary in the European and Eurasian Bureau at the U.S. Department of State), George Kent, der direkt erklärt hat, dass „die Beziehungen Russlands und der USA sich verschlechtern werden, wenn Moskau mit Gewalt in die Situation in Weißrussland eingreift“. „Aber viel schlimmer ist“, unterstreicht Rodjukow, „dass die USA mit Polen ein Abkommen über das sogenannte „Fort Trump“ unterzeichnet haben, das sich neben dem Unionsstaat von Russland und Weißrussland befinden wird. Sie sind aus dem Vertrag über die Vernichtung von Mittel- und Kurzstreckenraketen (INF-Vertrag) ausgestiegen und drohen an, derartige Raketen in Europa zu stationieren, um ganz Zentralrussland im Visier zu haben“. Der Experte der „NG“ ist der Auffassung, dass es sehr schwierig sei, all dem Paroli zu bieten. Und Russland würden daher keine einfachen Zeiten erwarten.