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Nawalny macht dem Kreml mit einer Rückkehr nach Russland Angst


Aus Deutschland erklangen am 7. Oktober wieder harte Statements im Zusammenhang mit der Vergiftung von Alexej Nawalny. Der Oppositionspolitiker an sich unternahm eine Medien-Attacke gegen den Kreml auch gerade am Geburtstag von Wladimir Putin. Nawalny rechnet scheinbar damit, stärker den Offiziellen der Russischen Föderation mit seiner Rückkehr Angst zu machen, dessen genaues Datum er bewusst nicht nennt. Dabei ruft er Europa auf, eine Sanktions- „Putin-Liste“ zu erstellen. Seiner Meinung nach sollten auf ihr Oligarchen, Beamte und andere Benefiziare des Regimes, beispielsweise Kunstschaffende nach der Art der vertrauten Person des Präsidenten Valerij Gergijew, stehen. 

BRD-Außenminister Heiko Maas ist der Auffassung, dass Sanktionen gegen Russland unausweichlich seien, wenn es keine Erklärungen und konkrete Informationen zum Zwischenfall mit Nawalny geben werde. Bei seinem Bundestagsauftritt am Mittwoch hatte er ganz und gar erklärt, dass von der Russischen Föderation bisher lediglich irgendwelche „absurden Vorwürfe“ an die Adresse Deutschlands und der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) erfolgen würden. 

Es sei daran erinnert, dass die russischen Offiziellen gerade solche Statements auch als absurde bezeichnen, wobei sie wiederholen, dass sie zu einer umfangreichsten Zusammenarbeit bereit seien. Jetzt aber geht allem nach zu urteilen die Zeit des Austauschs von Sticheleien zu Ende. Maas warnte gleichfalls, dass „zielgerichtete und verhältnismäßige Sanktionen“ gegen jene Personen fällig werden würden, die als verantwortliche von russischer Seite anerkannt werden würden. Es ist klar, dass, da es für die Europäer objektiv nicht möglich sein wird, sie zu ermitteln, diejenigen zu den Schuldigen ernannt werden, die man dazu ernennen muss. 

Nawalny selbst hat bereits begonnen, der Europäischen Union die ersten Figuranten der „Putin-Liste“, wie er dies bezeichnet, nahezulegen. Das neue Interview des Oppositionellen für die deutsche „Bild“-Zeitung wurde beispielsweise mit dem Namen von Ex-Kanzler Gerhard Schröder in der Überschrift veröffentlicht. Nawalny bezeichnet ihn als „Laufburschen Putins“, der von den Bürgern Russlands weggenommenes Geld erhalte, um „Mörder zu beschützen“. Einerseits revanchiert sich Nawalny da augenscheinlich für die ihm entgegengebrachte Gastfreundschaft mit einer Teilnahme an der innerdeutschen Politik. Andererseits aber inspiriert er sozusagen jenen Teil der Machtgruppierungen zu einer beharrlicheren Propagierung von Sanktionen gegen die Russische Föderation.  

Es sei daran erinnert, dass Nawalny an sich gegen sektorale Einschränkungen ist, doch auf Fragen vom Typ – sollte man da nicht, sagen wir einmal, dem Dirigenten Valerij Gergijew verbieten, in Deutschland aufzutreten -, antwortet er bejahend. Er erläutert, dass man so handeln müsse: Man müsse eben jenem Gergijew wie auch den anderen aus Russland kommenden Oligarchen, Beamten, deren Verwandten und anderen Liebhabern Europas vorschlagen, sich endgültig zwischen ihm und der Loyalität gegenüber Putin zu entscheiden. Und die Synchronisierung der Aussagen Nawalnys mit den Androhungen von Maas ist wohl kaum eine zufällige.   

Als Antwort erhält der Oppositionspolitiker eine starke mediale Unterstützung. Am 7. Oktober entfaltete er eine wahre Informationsoffensive gegen den Kreml. An diesem Tag erschienen gleich drei Interviews von Nawalny – außer „Bild“ publizierten die BBC und „Mediazona“ ausführliche Gespräche mit ihm. Auf des Messers Schneide steht die Frage nach einer Rückkehr nach Russland. Nawalny weist kategorisch jegliche Vermutungen zurück, dass er zu noch einem Politemigranten werde, der aus Berlin oder London für das Land senden werde. Er unterstreicht die ganze Zeit: Auch wenn er begreife, was für Gefahren sich für ihn, seine Nächsten und Mitstreiter ergeben können, könne er sich aber nicht erlauben, Angst zu haben. Freilich, wenn es um die Familie geht, beginnt Nawalny scheinbar, an der Notwendigkeit eines Auftauchens in der Heimat zu zweifeln. Doch dann gelangt er dennoch zu der Schlussfolgerung: „… ich muss mit ihnen (den Menschen in Russland – „NG“) zusammen auf der Straße stehen“.

Dabei wirft der Oppositionelle direkt den Herrschenden vor, dass sie alle „roten Linien“ bei der Druckausübung auf die Opposition überschritten hätten. Nawalny prophezeit, dass man letzten Endes ihn selbst und sein Team der Vergiftung bezichtigen werde. Und er schließt überhaupt nicht aus, dass man ihn doch einsperren werde – entweder wegen Landesverrat oder wegen Nichtbezahlung von Gerichtsschulden oder wegen jeglichen anderen Grundes. Für ihn sei es aber doch völlig klar, dass man für ein wunderbares Russland der Zukunft kämpfen könne, nur wenn man sich in ihm befinde. Und das Ausland werde mit nichts helfen. 

Dennoch besteht das Ziel der Medien-Aktivitäten Nawalnys, darunter auch für das westliche Publikum, darin, maximal an politischem Gewicht zu gewinnen. Den Termin für eine mögliche Rückkehr markiert er scheinbar bewusst nicht, wobei er auf die Ärzte verweist, die von der Notwendigkeit einer Rehabilitierung im Verlauf von mindestens ein paar Monaten sprechen. Offensichtlich rechnet der Oppositionspolitiker damit, in dieser Zeit so stark wie möglich dem Kreml mit den Folgen einer Anwendung irgendwelcher Repressalien Angst zu machen. Und noch eine Aufgabe besteht darin, die Offiziellen zu zwingen, weiter für Nawalny Reklame zu machen. Und im Ergebnis seinen möglichen Rückflug aus Deutschland nach Moskau in der Zukunft zu etwas Triumphalen in der Art des Empfangs von Lenin oder Solschenizyn zu verwandeln.