Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Nawalnyj schaffte es, Nowosibirsk und Tomsk aufzumuntern


Die Versendung von Anweisungen hinsichtlich jener Kandidaten, die man durch die „kluge Abstimmung“ (KA) gegen „Einiges Russland“ unterstützen sollte, hat am 8. September begonnen. In diesem Jahr wird die KA bei den Wahlen zum Einsatz kommen, wo keine Anhänger von Alexej Nawalnyj nominiert worden sind. Das gilt in erster Linie für die Wahl zur Stadtduma von Nowosibirsk und Tomsk. Und da arbeitet die KA als eine Agitationsmaschine. Es heißt, dass die investigativen Nachforschungen von Nawalnyj hinsichtlich dieser Städte zu solch einer Zunahme der Zahl der Registrierungen im System der KA geführt hätten, dass die Herrschenden nur massenhaften Fälschungen vor einer Niederlage retten könnten.

Der Stab Nawalnyjs verspricht, dass die Wähler, die sich für die KA vorab registriert haben, auf jeden Fall den Namen des favorisierten Kandidaten erhalten werden, selbst wenn die Internetseite des Systems blockiert wird. Für den Sieg ihrer Kandidaten werden die Nawalnyj-Anhänger auf jeden Fall kämpfen, ungeachtet deren realen Ratings und Ergebnisse des Wahlkampfes. 

Leonid Wolkow, der Koordinator des Netzes der regionalen Nawalnyj-Stäbe, ist jetzt im Zusammenhang mit der „Vergiftung“ des Führers der einzige, der alle Entscheidungen hinsichtlich der KA trifft. Er erläuterte, dass die Veröffentlichung der Listen am 8. September nicht einfach so erfolge. Ab diesem Tag ist es verboten, seine Teilnahme als Kandidat an der Wahlkampagne ohne Angabe driftiger Ursachen, die direkt im entsprechenden föderalen Gesetz aufgezählt worden sind, zurückzuziehen. Dies bedeutete, erläuterte Wolkow, dass sich die Möglichkeiten für die Ausübung von Druck auf die Kandidaten der KA verringern würden. Dabei hatte er aus irgendeinem Grunde präzisiert, dass auch eine zwangsweise Streichung blockiert sei, obgleich das Gesetz nichts über letzte Fristen für die Streichung eines Kandidaten gemäß Gerichtsbeschluss nach Klagen von Wahlkommissionen, Konkurrenten und wachsamen Bürgern unterschiedlicher Art aussagt.

Alles in allem kann man seit dem Dienstag die Situation hinsichtlich eines Widerstands gegen KA beobachten, wenn natürlich solch einer beginnt, was tatsächlich nicht Fakt ist. Die Nawalnyj-Vertreter an sich gestehen ein, dass ein kritischer Faktor die Anzahl der auf der Seite für die KA registrierten Wähler sei. Obgleich: Je mehr sie sein werden, umso besser ist, zumindest aus der Sicht der kumulativen Wirkung der Agitation für dieses System einer konsolidierten Abstimmung unter den Bürgern. Das heißt, bei den Wahlen, wo es nicht gelungen ist, zumindest irgendeine ordentliche Anzahl von Wählern zur KA zu gewinnen, wird es kein Einbrechen von „Einiges Russland“ geben. Und folglich werden die Offiziellen auch nicht Druck machen.

Im Zusammenhang damit sehen wie demonstrative die Statements über jenen Einfluss aus, den die Geschichte mit der vermutlichen „Vergiftung“ Nawalnyjs auf den Verlauf der Wahlkampagne ausgeübt hat. Wolkow erinnerte daran, dass sich der Oppositionsführer vor dem Zwischenfall mit der Vorbereitung von investigativen Nachforschungen über die Situation in Nowosibirsk und Tomsk befasst hatte. Dort hätten die Macht die Abgeordneten von „Einiges Russland“ sozusagen an sich gerissen, die dies vor allem aus der Sicht ihrer Business-Interessen bräuchten. Also in diesen Städten, in denen Kandidaten der Nawalnyj-Vertreter für die Stadtparlamente antreten, sei die Zahl der Registrierungen für die KA angeblich in die Höhe geschnellt und mache zweimal mehr als geplant aus. Nach Aussagen Wolkows werde jetzt die Marke von 20 Prozent der Wähler, die die KA gewählt haben, augenscheinlich erreicht oder gar überschritten. Und daraus ergebe sich, dass durchgängige Niederlagen von „Einiges Russland“ faktisch vorausbestimmt seien. Wenn es natürlich keine massenhaften Fälschungen geben wird, präzisierte er für jeden Fall, denen man mit Hilfe von Beobachtern entgegenwirken müsse. Kurz gesagt: Der wichtigste Nawalnyj-Mann hat sowohl wahrscheinliche Erfolge prognostiziert als auch mögliche Flops der KA vorab erklärt. 

Nominierte von Nawalnyjs Stäben gibt es auch noch in anderen Regionen, doch in den meisten von ihnen sind sie nicht zu den Wahlen zugelassen worden. Gerade dort ist auch vorgesehen, die KA anzuwenden, um zumindest „leichte Nadelstiche“ in den hinteren Teil des Körpers von „Einiges Russland“ zu bewirken, durch die sie nach Aussagen Wolkows „ausbluten wird“. Er erklärte, dass die Erfolge der Kandidaten der KA an und für sich nicht so wichtig seien – natürlich mit Ausnahme der Nawalnyj-Leute. Es gebe eine wichtigere Sache. Und zwar: Es solle der Präzedenzfall eines erneuten Erfolgs nach der Wahlkampagne für die Moskauer Stadtduma von 2019 geschaffen werden. Angeblich könnte man einmal als einen Zufall ansehen, ein zweites Mal aber werde bereits eine Gesetzmäßigkeit sein. Dies bedeute, dass vor den Staatsduma-Wahlen im kommenden Jahr die Opposition endlich aufhören werde, über die Rolle und den Platz der KA zu streiten, und sich gemeinsam ihrer Realisierung allerorten annehmen werde.   

Die Erzählungen Wolkows über die Sichtungen der endlosen Listen der Anwärter, die für die verschiedenen Wahlen nominiert wurden, sowie seine Antworten auf die Fragen, die im Verlauf eines YouTube-Streams am Sonntag gestellt wurden, erhellten einzelne Elemente der Mechanik der „Klugen Abstimmung“. Erstens wurde ersichtlich, dass hinsichtlich der Kandidaten von Nawalnyj die KA lediglich eine Agitationsmaschine ist. Leonid Wolkow teilte mit, dass es im Team solche gebe, die die Kampagne schlecht gemeistert hätten. Dennoch aber würden sie im Abschlussregister auftauchen. Das heißt, in diesen Fällen ist eben jener Partei „Einiges Russland“ ein Gewinn garantiert. 

Zweitens, Wolkow bestätigte, dass die Zugehörigkeit zu Oppositionsstrukturen wie „Jabloko“, „Vereinigte Demokraten“ (VD) von Andrej Piwowarow oder „Städtische Projekte“ von Maxim Kaz noch nichts bedeute. In Nowosibirsk beispielsweise ist in der gesamten Oppositionskoalition der Nationalist Rostislaw Antonow, für den es „im wunderbaren Russland der Zukunft“ natürlich keinen Platz geben werde. Jetzt aber sei dieser Aktivist nötiger als die „Jabloko-Oma“, die durch den „Schwindler Kaz“ als Spoiler aufgestellt wurde. Den Kandidaten der VD in Krasnodar, Jan Antonow, unterstützt das Nawalnyj-Team ebenfalls, fixiert aber in anderen Regionen für die Vertreter von „Offenes Russland“ keine siegreichen Aktivitäten. 

Drittens hat sich herausgestellt, dass die Kandidaten für die KA im Ergebnis einer gewissen analytischen Bewertung ausgewählt werden, die sowohl reale Fakten als auch Vermutungen darüber, welche der Parteien im jeweiligen Subjekt der Russischen Föderation sichere Positionen einnimmt, zusammenfasst. Daher ist in Nowosibirsk die KPRF sozusagen für die Nawalnyj-Vertreter ein Feind, in den meisten Regionen aber eine Hoffnung und Stütze der KA. In solch einer Eigenschaft werden auch „Gerechtes Russland“ zum Beispiel in Astrachan und die LDPR im Fernen Osten und in Sibirien angesehen. Die neuen politischen Projekte aber, die Wolkow als Fake-Parteien bezeichnete, werden in der Reihe der Teilnehmer an der KA kategorisch nicht ins Kalkül gezogen. Wobei der Chef des Nawalnyj-Stabs das Argument, dass dies die gleiche Partei „Einiges Russland“ sei, als zweites anführte. Der erste Grund für einen Ausschluss der Kandidaten der Parteien „Für die Wahrheit“ oder „Neue Leute“ aus der Liste der potenziellen Figuren für die KA ist aber die Gewissheit Wolkows, dass diese Strukturen keinerlei besonderen elektoralen Leistungen zeigen könnten.