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Politische Schwäche als Grund für Kritik an neuen Wahlregeln?


In den meisten Regionen Russlands wurde der 29. Juli zum letzten Tag für das Einreichen von Dokumenten zur Registrierung von Kandidaten für die im September anstehenden Wahlen. Die Zentrale Wahlkommission (ZWK) der Russischen Föderation gab eine Statistik bekannt, die den hohen Konkurrenzgrad beweisen soll. Dabei hat sich die Chefin der Zentralen Wahlkommission Ella Pamfilowa selbst in den Wahlkampf eingeschaltet. Denjenigen, die die dreitägige Stimmabgabe kritisieren, die es angeblich unmöglich mache, sie durch Beobachter zu erfassen, warf sie „politische Schwäche“ vor. Derweil wird dieses Format schrittweise überall eingeführt, wo Kampagnen für die Wahlen über der munizipalen Ebene laufen. Die Opposition wartet, was noch für Neuerungen rückwirkend in Kraft treten werden. 

Im Land gehen am 13. September rund 9.000 Kampagnen für Wahlen unterschiedlicher Ebene in 83 Regionen zu Ende. Und die ZWK der Russischen Föderation empfiehlt eindringlich, in 41 Subjekten Russlands, das heißt dort, wo Nachwahlen zur Staatsduma, die Wahl der Leiter von Regionen und der Abgeordneten der Regionalparlamente stattfinden, am 11. und 12. September eine vorgezogene Stimmabgabe durchzuführen. In den übrigen Regionen aber könne die Entscheidung über das Format der Wahlen zu den munizipalen Organen die Wahlkommission, die sie organisiert, treffen. 

Der 29. Juli wurde praktisch überall zum letzten Tag für das Einreichen unterschiedlicher Unterschriften und anderer Dokumente, die notwendig sind, um Entscheidungen über die Registrierung von Kandidaten oder deren Ablehnung zu fällen. Daher ist die Statistik bisher eine unvollständige. Die Zentrale Wahlkommission hat sie dennoch aber bekanntgegeben, offensichtlich um den hohen Grad des Konkurrenzkampfs zu unterstreichen. Zum Beispiel sind für die Wahlen der Regionalchefs 147 Kandidaten von 24 Parteien nominiert worden. Registriert wurden bisher lediglich 18 Anwärter. Für die regionalen Parlamente sind über Parteilisten und für die Direktmandate 7558 Kandidaten von 27 Parteien aufgestellt worden. Entsprechend der Parteilisten sind vorerst 1558 Kandidaten registriert worden. Ablehnungen gab es bereits in Bezug auf drei Parteien, unter anderem für „Jabloko“ im Verwaltungsgebiet Tscheljabinsk. Für die Wahl über Direktmandate gibt es bereits 420 bestätigte Kandidaten. 63 erhielten eine Ablehnung.

Es hatte den Anschein, dass alles laut Plan erfolgt, doch scheinbar musste sich Ella Pamfilowa direkt bei der Sitzung der Zentralen Wahlkommission am 29. Juli, bei der man diese Daten vermeldete, noch einmal für die Einführung einer dreitägigen Abstimmung mitten in der Wahlkampagne rechtfertigen. Die beste Verteidigung ist der Angriff. Und daher löste sich die Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission von der politischen Neutralität und mischte sich vom Wesen her in den Wahlkampf ein. Sie unterstrich, dass all diejenigen, die das neue Format kritisieren würden, das für die Bürger bequem und durch sie sogar gefragt sei, einfach nicht effektiv das Prozedere der (Wahl-) Beobachtung organisieren könnten. Es sei daran erinnert, dass die Opposition der Auffassung ist, dass mehrtätige Wahlen eine effektive Kontrolle einfach aufgrund des Mangels an geschulten Beobachtern stark erschweren würden. Hinzu komme, dass sie alle möglichen nichtstationären Abstimmungslokale aufsuchen müssen. Bekanntlich ist die berüchtigte „Stimmabgabe auf Baumstümpfen“ die zweite Neuerung, die vom Verfassungsplebiszit (das am 1. Juli in Russland stattfand – Anmerkung der Redaktion) abgekupfert wurde. 

„Man muss nicht seine politische Schwäche – und ich wende mich da an einige besonders lautstarke Schreihälse seitens einiger Parteien und an die sich ihnen hinzugesellten Experten, den sogenannten unabhängigen und anderen – durch eine Hysterie hinsichtlich möglicher Fälschungen verschleiern“, erklärte Pamfilowa. Ihrer Meinung sei es nicht schwer zu schreien. Schwieriger sei es, real daran zu arbeiten, damit die Wahlen ehrliche sind, wie dies auch die Nichteinverstandenen fordern würden. „Was sind Sie denn da für eine Partei oder ein Kandidat? Wer wird denn da für Sie stimmen, wenn Sie nicht einmal in der Lage sind, Ihre Anhänger, die es sehr möchten, dass Sie gewinnen, zu überreden, zu überzeugen, zumindest jeweils zwei Beobachter am Tag zu finden?“, fragte Pamfilowa die Oppositionellen. Freilich gab sie in ihrer Frage bereits eine verständliche Antwort. 

In der ZWK gibt man bisher die Statistik hinsichtlich des Übergangs der Regionen zu einer dreitätigen Stimmabgabe bekannt. Doch ein Monitoring des Internets zeigt, dass dies bereits ein Großteil der russischen Subjekte, den dies empfohlen wurde, getan hat. Die übrigen werden augenscheinlich in den nächsten Tagen nachziehen. Es sei daran erinnert, dass somit ein mehrtätiger Wahlmarathon sowohl den Kandidaten für die Staatsduma als auch den amtierenden Gouverneuren sowie den Anwärtern auf Sitze in den Regionalparlamenten bevorsteht. Vom Prinzip her ergibt sich für die Opposition auch eine Chance, die eigenen Anhänger zu mobilisieren. Doch ein Problem verursacht gerade die Unmöglichkeit, Beobachter für die massiv zunehmende Zahl an Abstimmungsorten zu finden.

Dabei hat die rückwirkende Einführung von Abstimmungsneuerungen für die schon auf Hochtouren laufende (Wahl-) Kampagne allem nach zu urteilen die Nichteinverstandenen ernsthaft demoralisiert. Jetzt erwarten sie von den Offiziellen jegliche Überraschungen. An den Gesetzen über die grundlegenden Garantien für die Wahlrechte und über die Wahl der Staatsduma-Abgeordneten sind beispielsweise bereits Änderungen vorgenommen worden, die verbieten, in anderen Regionen Beobachter zu sein. Der Begriff „aktives Wahlrecht“ ist so ausgelegt worden, dass es vom Ort der Anmeldung abhängt. Scheinbar wird das Gesetz schon für die Wahlen des kommenden Jahres in Kraft treten. Die Oppositionellen befürchten aber, dass die Offiziellen beginnen werden. diese Forderung gegenüber ihren Beobachtern bereits jetzt zu stellen.