US-Präsident Joseph Biden hat seine Europa-Tournee mit neuen Androhungen an die Adresse Russlands begonnen. Auf dem Stützpunkt der britischen Royal Air Force Mildenhall signalisierte er eine „harte und zielgerichtete“ Reaktion Washingtons auf das „schädliche Wirken“ Moskaus. Es ist anzunehmen, dass der Dialog von Joseph Biden und Wladimir Putin in Genf kein einfacher werden wird. Und diese Gedanken erlauben nicht nur diese Erklärungen, sondern auch die zunehmenden Aktivitäten der USA und der NATO in Ost- und Nordeuropa.
Vor dem Hintergrund der großangelegten Manöver „Baltops“ und „Arctic Challenge Exercise“ in Polen, unweit der Grenzen Russlands und Weißrusslands, bzw. in Skandinavien, hat nunmehr die aktive Phase der Militärmanöver „Dragon-21“ der polnischen Truppen begonnen. Bei ihnen kommen rund 9.400 polnische Militärs und 800 Fahrzeuge aus dem Bestand der 18. und der 16. mechanisierten Division, aber auch Kräfte der „territorialen Verteidigung“ zum Einsatz. Polens Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak erklärte, dass das Hauptziel der Manöver „Dragon-21“ eine Überprüfung der Gefechtsbereitschaft der Verbände sei, deren Aufgabe der Schutz der Ostgrenze des Landes ist. Zuvor war mitgeteilt worden, dass alle Manöver, die durch Warschau abgehalten werden, mit der Grundidee der NATO-Manöver „Defender Europe 2021“, den größten in der gesamten postsowjetischen Geschichte, die unter anderem auch auf dem Territorium Polens stattfinden, koordiniert seien. Nach Einschätzungen des russischen Verteidigungsministeriums sei „das Hauptziel solcher Manöver, die Verlegung einer vollwertigen Division aus den USA nach Europa zu trainieren“. Und solch eine Verlegung ist bereits im Gange. In Polen werden Panzer- und Mot.-Schützen-Einheiten der US-Armee konzentriert. Daneben ist auf ständiger Grundlage in Polen ein amerikanischer Stützpunkt des Raketenabwehrsystems eingerichtet worden. Nach Aussagen von Wladimir Putin könnten die dort durch das Pentagon stationierten „Startanlagen auch für die Angriffskomplexe verwendet werden, die das Zentrum Russlands innerhalb von 15 Minuten erreichen“.
Moskau macht sich darüber Sorgen und bemüht sich, die militärische Gefahr zu verringern, die von den NATO-Kräften in Osteuropa und dem US-Raketenabwehrsystem ausgeht. Dieser Tage erinnerte der russische Außenminister Sergej Lawrow daran, dass Russland mehrfach vorgeschlagen habe, ein Moratorium für die Stationierung bodengestützter Raketen mittlerer und kurzer Reichweite in Europa zu verhängen, und dass deren Verifizierung einen Besuch des Kaliningrader Gebietes und des Raketenabwehrstützpunktes der Vereinigten Staaten in Rumänien vorsehe. Den Vorschlag „haben die Amerikaner ignoriert. Sie wollen niemanden auf ihre Raketenabwehr-Stützpunkte lassen“, betonte Lawrow.
Erhebliche amerikanische Kontingente werden bald in der Ukraine auftauchen. Am 28. Juni beginnen dort die gemeinsamen Marine-Manöver „Sea Breeze 2021“ zusammen mit den USA und anderen NATO-Ländern, die man im Verteidigungsministerium der Russischen Föderation als provokante bewertete. „Die NATO plant unter dem Deckmantel der Manöver, moderne Waffen, Munition und materielles Gut für die ukrainischen Truppen in die Ukraine zu bringen“, betont man im russischen Verteidigungsministerium.
„Außer „Sea Breeze 2021“ sind in der Ukraine weitere sechs Militärmanöver unter Beteiligung der USA und anderer NATO-Länder geplant. An ihnen werden 11.000 Soldaten und Offiziere aus Ländern der Allianz teilnehmen. Und dies ist natürlich eine militärische Bedrohung für Russland“, erklärte der „NG“ der Militärexperte Generalleutnant Jurij Netkatschjow. „Wenn die Ukraine NATO-Mitglied wird, werden sich die Bedrohungen für Russland verstärken. Denn dann können hypothetisch die Raketen, die unter den ehemaligen INF-Vertrag fallen, in Charkow oder an anderen Orten der Ukraine stationiert und bis zu den Städten im Zentrum des Landes innerhalb weniger Minuten fliegen. Und darauf muss Russland nicht nur mit diplomatischen, sondern auch militärischen Gegenmaßnahmen reagieren“. Der Experte lenkt das Augenmerk darauf, dass die Russische Föderation bereits die Vorbereitungen zu den strategischen Manövern „Zapad-2021“ („Westen-2021“) begonnen habe, die Mitte September stattfinden werden. „Eine der Besonderheiten dieser Manöver besteht darin, dass ein erheblicher Teil der russischen Truppen nach Weißrussland verlegt wird. Dort werden unter anderem, den Mitteilungen des russischen Verteidigungsministeriums nach zu urteilen, Truppenteile und Einheiten der 1. Panzerarmee und der 20. Allgemeinen Armee des Westlichen Militärbezirks handeln“, meint Netkatschjow. „In diesem Fall werden russische Panzer, andere Waffenarten und Militärs nach Weißrussland nicht für das Training einer Offensivoperation und einen Blitzkrieg, sondern für Verteidigungszwecke verlegt werden – für eine Verstärkung der gemeinsamen regionalen Truppengruppierung des Unionsstaates“.
Vertreter des Westlichen Militärbezirks haben mitgeteilt, dass seitens der 20. Armee an den strategischen Manövern Militärangehörige der „Weichsel“-Mot.-Schützen-Division (den Namen „Weichsel“ bekam die Division, deren Vorläufer 1943 gebildet wurde, für die erfolgreiche Forcierung der Weichsel während des Großen Vaterländischen Krieges – Anmerkung der Redaktion) teilnehmen werden. Laut Angaben des russischen Verteidigungsministeriums haben sie die Gefechtsausbildung „auf den Truppenübungsplätzen Pogonowo und Kriniza im Verwaltungsgebiet Woronesch begonnen“. „Es ist bekannt, dass zur Panzerarmee neben Panzer- und Mot.-Schützen-Truppenteilen die mit „Iskander-M“-Komplexen ausgerüstete Raketenbrigade in Schuja (Verwaltungsgebiet Iwanowo – Anmerkung der Redaktion) gehört. Einen Verband mit solchen Komplexen gibt es auch im Verwaltungsgebiet Kaliningrad“, erläuterte der „NG“ der Militärexperte Wladimir Popow. Er hält den Einsatz der „Iskander“-Komplexe bei den strategischen Manövern „Zapad-2021“ für einen durchaus begründeten. „Wo, wenn nicht bei Manövern, kann man das Niveau der Gefechtsausbildung der Raketensoldaten überprüfen?“, fragt er, wobei er hinzufügt: „Natürlich, solch ein Szenario für die Ausbildungskampfhandlungen wird den Generälen der USA und der NATO nicht gefallen“.