Die Besorgnis des russischen Präsidenten Wladimir Putin hinsichtlich der „militärischen Erschließung der Ukraine“, die durch ihn in dem jüngst veröffentlichten Beitrag zum Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine bekundet wurde, teilt man auch im Verteidigungsministerium der Russischen Föderation. Verteidigungsminister Sergej Schoigu begann eine Inspektion von Verbänden und Truppenteilen des Südlichen Militärbezirks, die in der südwestlichen strategischen Richtung disloziert sind. Mit gleichen Aufgaben ist auch der Kommandierende der Luftlandetruppen Generaloberst Andrej Serdjukow auf der Krim eingetroffen. Warum solch eine Aufmerksamkeit für die Region, muss nicht erst gesagt werden. In der Ukraine und im Schwarzen Meer dauert die Serie großangelegter Manöver von NATO-Ländern und ihren Partnern an. Kiew errichtet aktiv Militärobjekte und Stützpunkte unweit der Grenzen der Russischen Föderation im Bereich des Asowschen und des Schwarzen Meeres, wobei es versichert, dass es unbedingt die Kontrolle über die Krim zurückbekommen werde.
Sergej Schoigu weilte in der vor relativ kurzer Zeit (in den Jahren 2017-2019) gebildeten 150. Mot.-Schützendivision, die in der Nähe von Rostow am Don disloziert ist. „Die 150. Mot.-Schützendivision ist ein ungewöhnlicher Verband. In ihrem Bestand sind zwei Panzerregimenter gebildet worden. Und dieser Verband ist im Zusammenwirken mit anderen Kräften des Südlichen Militärbezirks in der Lage, jegliche Aggression abzuwehren“, meint der Militärexperte Generalleutnant Jurij Netkatschjow. Er lenkt die Aufmerksamkeit darauf, dass die Verstärkung der Armee in der südwestlichen strategischen Richtung fortgesetzt werde. „Im Mai kündigte der Verteidigungsminister an, dass bis Jahresende im Westlichen Militärbezirk rund zwanzig neue Verbände und Truppenteile auftauchen würde“, betonte der Experte.
Neue Truppenteile werden bis dahin auch auf der Krim auftauchen. Generaloberst Andrej Serdjukow kontrollierte die Errichtung der militärischen Infrastruktur für das auf der Basis des Wolgograder Verbands der Luftlandekräfte zu bildende 56. Luftlande-Sturmregiment. Geplant ist, die Stationierung dieses Regiments in Feodosia im Dezember dieses Jahres abzuschließen. Somit wird die Halbinsel schon bald nicht nur durch Schiffe, Verbände und Truppenteile der Schwarzmeerflotte und des 22. Armeekorps, sondern auch durch mobile Einheiten der Luftlandetruppen geschützt werden.
„Bis zum Jahresende soll das neue Regiment ein Stabsgebäude, zwei Soldaten-Wohnheime (wobei jedes für 300 Personen ausgelegt ist), eine Kantine mit 750 Plätzen und zwei Kontrollpunkte – einen Einlass- bzw. Passier- und einen technischen – erhalten“, informiert das russische Verteidigungsministerium. Dieser Nachricht nach zu urteilen, werden, wenn man die Anzahl der Plätze in den Wohnheimen beurteilt, im Bestand des Luftlande-Sturmregiments auf der Krim mindestens zwei neue Bataillone der Luftlandetruppen stationiert werden. Angemerkt sei, dass früher in Feodosia, im Jahr 2017 bereits das 171. Sonder-Luftlande-Sturm-Bataillon im Bestand der 7. Gardedivision der Luftlande-Gebirgsjäger gebildet wurde. Und es wird augenscheinlich zusammen mit den neu zu bildenden Einheiten zum Bestand des 56. Luftlande-Sturmregiments gehören, das wiederum dem Kommando der erwähnten 7. Gardedivision unterstellt wird.
Die Errichtung eines Kontroll- und technischen Punktes in der Militärsiedlung in Feodosia belegt gleichfalls, dass das Regiment auch sofort mit Gefechtsfahrzeugen und anderer gepanzerter Technik ausgerüstet wird. Zuvor hatte das Verteidigungsministerium mitgeteilt, dass sich in der Bewaffnung des 171. Bataillons „gepanzerte Allrad-Technik befinden wird, die zu Handlungen in unterschiedlichen Richtungen unter Einsatz verschiedener Typen von Flugtechnik in der Lage sein wird»“ Augenscheinlich wird es solche Technik auch in den anderen Bataillonen des Luftlande-Sturmregiments geben.
Somit wird es schon sehr bald auf der Krim ein Luftlande-Sturmregiment geben, das imstande ist, operativ auf auftretende militärische Gefahren zu reagieren sowie schnell und mobil im Zusammenwirken mit Kräften des Südlichen Militärbezirks und der Schwarzmeerflotte zu lösen. Dass solche Bedrohungen und Gefahren real seien, betonte Wladimir Putin in seinem jüngsten Artikel. Über die Möglichkeit einer „De-Okkupation“ der Krim reden auch ukrainische Offizielle. Der ehemalige Chef der Untersuchungsverwaltung des Sicherheitsdienstes der Ukraine Wassilij Wowk sagte bei der Kommentierung der Ergebnisse der „Sea Breeze“-Manöver im Schwarzen Meer, dass nach seiner Meinung „nur ein militärisches Eingreifen der NATO-Länder der Ukraine helfen wird“, die Krim zu befreien. Über die Möglichkeit von Schlägen gegen russische Militär- und Krim-Objekte mittels „Neptun“-Raketen hat auch der Chef der ukrainischen Seestreitkräfte Alexej Nejischpapa mehrfach gesprochen.
Unter Berücksichtigung solch einer Einstellung der Ukraine waren im vergangenen Frühjahr auf der Krim großangelegte Manöver des Südlichen Militärbezirks unter Beteiligung der Luftlandetruppen, von Schiffen der Kaspi-Flottille und Verbänden aus anderen Militärbezirken des Landes abgehalten worden. Insgesamt hatte das russische Verteidigungsministerium für die Manöver auf die Krim und andere Orte im Bereich der Westgrenze zwei Armee und drei Verbände verlegt. An der aktiven Manöverphase beteiligten sich „über 10.000 Militärs, 1.200 Waffenkomplexe und Gefechtstechnik, über 40 Kampfschiffe und 20 Schiffe zur Sicherstellung“. Für das Absetzen von mehr als 2000 Angehörigen der Luftlandetruppen und über 60 Gefechtsfahrzeugen waren damals 40 Flugzeuge vom Typ Il-76MD eingesetzt worden. „Schon sehr bald, im September, werden die neuen strategischen Militärmanöver „Zapad-2021“ („Westen-2021“) erwartet. An ihnen werden Verbände des Südlichen Militärbezirks, der Schwarzmeerflotte und der Luftlandetruppen, darunter auch auf der Krim dislozierte, teilnehmen. An den Grenzen Russlands ist es nicht ruhig“, konstatierte gegenüber der „NG“ der Militärexperte Oberst Nikolaj Schulgin.
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Die militärische Verstärkung der Ukraine beobachten auch Autoren russischer gesellschaftspolitischer Telegram-Kanäle. Die Autoren des Kanals „Die Maus im Gemüse“ (https://t.me/kbrvdvkr) lenken das Augenmerk auf die Versuche Kiews, Beziehungen mit Peking anzubahnen, und nehmen an, dass „die Ukraine kein Subjekt, sondern ein Objekt der gegenwärtigen internationalen Politik“ sei. „Je aktiver und demonstrativer Kiew mit Peking kokettieren wird, umso schneller wird das angenommene „kollektive Brüssel“ mit Wort und/oder Tat oder – im Gegenteil – mit Schweigen und Untätigkeit eine Wiedervereinigung von Kleinrussland (historischer Name für den nördlichen Teil der heutigen Ukraine – Anmerkung der Redaktion) mit Russland unterstützen. Ja, und eine Rückkehr Russlands zu seinen historischen Grenzen zu beobachten, wird dort für viele unangenehm sein. Aber weitaus angenehmer als auf die Schaffung eines örtlichen „UAGX“ (Uigurisches Autonomes Gebiet Xinjiang) an den eigenen Grenzen zu schauen“.