Die vier Monate, die die sogenannte militärische Sonderoperation in der Ukraine bereits andauert, können die russische Kultur, Wissenschaft und das Bildungswesen um 30 Jahre hinsichtlich dessen zurückwerfen, was die internationalen Kontakte angeht. Es geht nicht nur um einen Verzicht der westlichen Partner auf eine Zusammenarbeit mit russischen Institutionen, sondern um einen prinzipiellen Abbruch der fundamentalen Beziehungen seitens Russlands.
Auf Vorschlag von Russlands Außenministerium hat das Ministerkabinett das Memorandum von 1998 „Über gegenseitiges Einvernehmen zwischen der Regierung der Russischen Föderation und der Regierung der USA über die Prinzipien einer Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kultur, der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, des Bildungswesens und der Massenmedien“ aufgekündigt. Dieses Dokument erlaubte einen Kulturaustausch, einen Austausch von Studenten und Hochschullehrern zwecks Sprachstudiums und einer wissenschaftlichen Zusammenarbeit, einen Dialog über gegenseitige Beziehungen von Nichtregierungsorganisationen usw. Das Bildungs- und Wissenschaftsministerium erklärte zusammen mit dem Außenministerium, dass jetzt eine Analyse der normativen und Rechtsgrundlage der russisch-amerikanischen Abkommen im Bereich der Wissenschafts- und Bildungskooperation „hinsichtlich einer Einstellung oder Aussetzung“ vorgenommen werde.
Gleichzeitig gab das Bildungs- und Wissenschaftsministerium den Ausstieg der Russischen Föderation aus dem Bologna-System bekannt. Es ist offensichtlich, dass dies in erster Linie gerade den Aspekt der Integration des russischen und des internationalen Bildungswesens tangieren wird. Das heißt: Er wird die Kontakte zwischen den Ländern erschweren oder abreißen lassen. (Die Frage danach, was der Übergang des erfolgreichen sowjetischen Systems zum internationalen gekostet hat, ist Thema für eine gesonderte Erörterung.)
Die Wechselbeziehungen mit der russischen Kultur haben die Welt aufgepusht. Während die einen Institutionen auf alles Russische verzichten – sei dies das Repertoire von Sinfonieorchestern oder Namen, die Konservatorien und Theatern verliehen wurden, öffnen andere ihre Türen für Vertreter der Kultur der Russischen Föderation. Beispielsweise hat die Bürgerin Russlands Anna Geniushene gerade die Silbermedaille beim internationalen Van-Cliburn-Pianisten-Wettbewerb gewonnen. Zur gleichen Zeit gibt es beim Rachmaninow-Wettbewerb, der derzeit in Moskau stattfindet, nicht einen einzigen Teilnehmer aus den USA. Dies ist – versteht sich – kein Parameter für eine Feindseligkeit. Teilnahmemeldungen aus Amerika hatte es gegeben. Aber bereits das eigentliche Gespräch zum Thema einer Präsenz von Künstlern aus „feindseligen“ Ländern auf der einen oder anderen Seite des (Atlantischen) Ozeans erinnert an die raue Vergangenheit, als selbst Musiker zu einem Instrument im Kalten Krieg geworden waren.
Eines der akutesten März-Themen war die Rückführung von Kunstgegenständen – vor allem von Bildern aus der Sammlung der Morosow-Brüder, die sich in Paris befunden hatten – aus den westlichen Ländern. Die Heimkehr der Bilder aus Frankreich nach Moskau und Sankt Petersburg wurde von den föderalen TV-Kanälen gecovert. Dennoch sind ein paar Bilder, die Geschäftsleuten gehören, die von den westlichen Sanktionen erfasst wurden, beschlagnahmt worden und sind nicht zu ihren Besitzern zurückgekehrt. Es ist klar, dass unter den heutigen Umständen ein Austausch von Kunstwerken unmöglich ist. Es besteht die Möglichkeit, dass sie nicht heimkehren werden.
Die Russische Föderation ist mit einem Schlage fast vollkommen vom westlichen Kulturraum abgeschnitten worden und ist gezwungen, neue Partner zu suchen – aus den „freundlichen“ Ländern. In der Tretjakow-Galerie findet bereits die Schau „Malerisches Belarus. Zeitgenössische weißrussische Malerei. Von der Klassik bis zum Experiment“ statt. Museen stellen ihre Pläne um, und die Direktoren äußern sich recht vorsichtig über Perspektiven großer internationaler Projekte. Das gleiche betrifft auch die Gastspieltätigkeit. Auftritte berühmter Orchester und Solisten oder Gastspiele unserer Ensembles im Westen sind wohl kaum zu erwarten (natürlich mit einzelnen Ausnahmen).
Die Verstärkung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet von Kultur und Kunst zwischen Russland und dem Iran ist beim gerade zu Ende gegangenen Petersburger Internationalen Wirtschaftsforum bekanntgegeben worden. Die Holding „Gazprom-Media“ berichtete über eine Kooperation mit iranischen Filmschaffenden. Angekündigt wurde das erste gemeinsame russisch-iranische Vorhaben in der Geschichte der Unterhaltungsindustrie. Augenscheinlich werden gemeinsame Projekte mit Ländern der GUS, Serbien sowie Ländern der arabischen Welt und Asiens sowie Lateinamerikas folgen.
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Am Freitag informierte Russlands Kulturministerium, dass seit dem 3. März die Praxis einer zeitweiligen Ausfuhr von Museumsgegenständen für ausländische Ausstellungen eingestellt wurde. Um die 1500 Exponate, die sich nach Beginn der militärischen Sonderoperation in der Ukraine im Ausland befunden hatten – in Ausstellungen unter anderem in Belgien, Ungarn, Deutschland, Italien und Spanien -, sind zurückgeführt worden. Weitere Arbeiten, deren genaue Anzahl nicht genannt wurde, sind Gegenstand von Anstrengungen der Regierung, des Kultur- und Außenministeriums sowie des Zolls und von Versicherungsunternehmen, um auch sie wieder nach Russland zurückzuholen. In diesem Zusammenhang wurde im Kulturministerium unterstrichen, dass eventuell im kommenden Jahr internationale Ausstellungsprojekte möglich seien, aber nur in „Zusammenarbeit mit befreundeten Ländern“.