Moskau, das eine neue Gruppierung von Friedenstruppen im Transkaukasus bildet, bereitet sich gleichfalls vor, mit dem Sudan ein Abkommen über die Bildung eines russischen Flotten-Stützpunktes auf dessen Territorium zu unterzeichnen. Nach Tartus wird dies das zweite große Objekt der russischen Seekriegsflotte in der Region des Nahen Ostens. Im Roten Meer wird die Russische Föderation einen Punkt zur materiell-technischen Versorgung (PMTV) der Marine bekommen, den Schiffe mit einer atomaren Antriebsanlage, darunter Atom-U-Boote anlaufen können.
Der ehemalige Chef des Hauptstabes der Seekriegsflotte Russlands, Admiral a. D. Viktor Krawtschenko, ist der Auffassung, dass die Einrichtung des PMTV in Port Sudan die russische Präsenz in Afrika verstärken und die operativen Möglichkeiten der Flotte erweitern werde. Dies sei „für die russische Kampfschiffe, die Antipiraten-Missionen erfüllen und beim Schutz von (Schiffs-) Konvois agieren“ wichtig. Der Schutz von Konvois ist eine gute Sache. Es steht aber die Frage: der Schutz wessen Konvois – russischer oder anderer Länder? Laut offiziellen Angaben macht Russlands Anteil unter den Lieferanten des Sudans lediglich 6,5 Prozent aus. Und die Russische Föderation übertreffen um Einiges China, Saudi-Arabien und Indien. Aber für sie werden in der Regel die Frachtgüter aus Russland, nicht durch den Suez-Kanal transportiert.
Die Einrichtung des Stützpunktes der Seekriegsflotte am Roten Meer stellen einige Medien als Antwort Moskaus auf die potenzielle Verhängung neuer Sanktionen gegen die Bauunternehmen von „Nord Stream 2“ durch die Vereinigten Staaten dar. Der Stützpunkt würde angeblich erlauben, das Rote Meer und die wichtigsten Routen für den Transport von Kohlenwasserstoffen durch die Verbündeten der USA zu kontrollieren. Es gibt jedoch keine Erläuterungen, auf welche Weise die Russische Föderation dies tun werde. Denn, wenn es keinen globalen Krieg gibt, kann Russlands Kriegsflotte dort das massenhafte Passieren von Tankern mit verflüssigtem Gas und Erdöl des „wahrscheinlichen Handelsgegners“ nicht verhindern.
Moskau schlägt gemäß dem Entwurf des Abkommens mit dem Sudan vor, Ressourcen „in die Entwicklung und Modernisierung des PMTV“ zu investieren. Vorgeschlagen wird gleichfalls, „unentgeltlich Waffen und Militärtechnik zur Organisierung der Luftabwehr des Standortes der Basis der Seekriegsflotte dieses Landes in Port Sudan zu liefern“. Die Idee ist eine interessante, doch die Unterhaltung des Stützpunktes im Sudan kann für Moskau eine kostenaufwendige sein. Wenn man Analogien zur Unterhaltung des russischen PMTV im syrischen Tartus zieht, so plant man, wie beispielsweise das russische Verteidigungsministerium im Jahr 2017 mitteilte, „für die Erweiterung dieses Stützpunktes jährlich 3,2 Milliarden Rubel (umgerechnet knapp 35 Millionen Euro) auszugeben“. Den Meldungen über die Modernisierung des syrischen PMTV nach zu urteilen, wurden jedoch weitaus erheblichere Summen ausgegeben.
Verteidigungsminister Sergej Schoigu informierte im Dezember vergangenen Jahres über die Errichtung eines Schiffsreparaturkomplexes in Tartus, der in der Lage sein wird, die Reparatur von Schiffen – angefangen bei Minenräumschiffen bis hin zu Kreuzern und dieselelektrischen U-Booten – durchzuführen. Die Kosten für solch einen Betrieb belaufen sich laut offiziellen Kostenvoranschlägen für einen derartigen Bau in der Russischen Föderation auf zehn bis zwölf Milliarden Rubel. Daneben errichtet Russland in Tartus weiter zwei neue Kaianlagen, die für ein Anlegen von Schiffen mit einer Wasserverdrängung von mehr als 10.000 Tonnen bestimmt sind, aber auch einen Komplex von Wohn- und Verwaltungsgebäuden. Und dafür wird nicht wenig Geld ausgegeben. Derartige großangelegte Bauarbeiten erfolgten vor einigen Jahren in Noworossijsk bei der Errichtung eines neuen Flottenstützpunktes und Kaianlagen. Im Jahr 2010 erklärte Wladimir Putin, dass der Bau 92 Milliarden Rubel kostet. Und obwohl man für einen Dollar damals 31 Rubel gab, kostete das Projekt beinahe 3 Milliarden US-Dollar.
Das Abkommen mit dem Sudan wird, wie erwartet wird, 25 Jahre lang mit der weiteren Möglichkeit einer Prolongierung gelten. Dabei muss man die instabile politische Lage im Land selbst ins Kalkül ziehen. Es sei daran erinnert, dass bereits im Jahr 2017 der frühere Präsident Sudans Omar al-Bashir im Verlauf seines Moskau-Besuchs schon vorgeschlagen hatte, einen Militärstützpunkt Russlands am Roten Meer zu schaffen. Es wurde aber keine Entscheidung getroffen. Im April des Jahres 2019 wurde al-Bashir im Ergebnis eines Militärputschs entmachtet. Im gleichen Monat wurde der Generalstabschef Abdel Fattah al-Burhan zum Vorsitzenden des Souveränen Rates von Sudan. Im Herbst vergangenen Jahres weilte er in Moskau, um die Militärkontakte zu verstärken. Im Sudan ist bereits ein vereinfachtes Prozedere für das Einlaufen russischer Schiffe in die Häfen des Landes eingeführt worden. Organisiert wurde eine Vertretung des russischen Verteidigungsministeriums. Und es wirken Militärinstrukteure. Im August dieses Jahres wurde schließlich ein Abkommen über russische Waffenlieferungen unterzeichnet. Aber die von al-Burhan organisierten Strukturen sind eine Übergangsstufe für die Gestaltung einer neuen Präsidialherrschaft im Land. Und es ist keine Tatsache, dass diejenigen, die den Sudan im Verlauf der nächsten 25 Jahre führen werden, beschließen, den russischen Militärstützpunkt auf ihrem Territorium zu belassen. Schließlich gibt es im Land politische Kräfte, die durch den Westen und die Türkei unterstützt werden.
Es gibt noch eine wichtige Frage im Zusammenhang mit den Interessen der Russischen Föderation in Nordafrika und den Medien-Meldungen über eine Beteiligung sudanesischer Söldner an Konflikten in einer Reihe von Ländern. Im September des letzten Jahres hatte die „New York Times“ behauptet, dass die Vereinigten Arabischen Emirate „Söldner im Sudan für die Libysch-Nationale Armee (LNA) von Khalifa Haftar rekrutierten“. Dies behaupten regelmäßig auch türkische Medien. Nach dem Machtantritt der Militärs im Sudan haben sich die Beziehungen der Türkei mit diesem Land verschlechtert, da der Sudan wie Ägypten und die VAE die LNA unterstützen.
Das Interesse der Türkei für den Sudan ist offensichtlich. Mit den früheren Machthabern des afrikanischen Staates hatte Recep Tayyip Erdoğan Militär- und Wirtschaftsabkommen unterzeichnet. Unter ihnen – über die Verpachtung der sudanesischen Insel Suakin im Roten Meer an die Türkei für 99 Jahre. Es ist bekannt, dass zu Zeiten der Osmanischen Herrschaft die Insel ein wichtiger Hafen war. Im 20. Jahrhundert jedoch, nach dem Bau der Stadt Port Sudan wurde er dem Verfall preisgegeben. Die Türkei plant, die Insel in ein touristisches Zentrum zu verwandeln und historische Denkmäler wiederherzustellen. Daneben ist, wie Medien behaupten, auf der Insel ein türkischer Militärstützpunkt geschaffen worden.
Somit konkurriert die Russische Föderation, indem sie im Sudan einen PMTV einrichtet, auch in dieser Region mit der Türkei, wobei sie sich bemüht, sie einzuholen. Dies zu tun, wird aber nicht einfach werden. Ankara hat im Unterschied zu Moskau auf Suakin bereits reale Business-Ergebnisse vorzuweisen. Laut Medien-Angaben erreicht die Summe, die durch türkische Unternehmen in Infrastrukturprojekte investiert wurde, und durch direkte Investitionen im Sudan 650 Millionen US-Dollar. Die Russische Föderation steckt keine solchen Investitionen in Wirtschaftsvorhaben der Länder des Nahen Ostens.