In der russischen Filmindustrie ist wieder das Thema einer Zwangslizensierung von Hollywood-Filmen auf die Tagesordnung geraten. Der Anlass war, was gesagt werden muss, ein würdiger. Zwei Kassenschlager des vergangenen Sommers („Barbie“ und „Oppenheimer“) würden sich gern viele ansehen – sei es nun eine Studentin oder ein Abgeordneter der Staatsduma. Was soll man da erst über die russischen Filmverleiher sagen, die traurig die Verluste berechnen, wobei sie auf die weltweiten Einnahmen der beiden genannten Streifen blicken, die mehr als zwei Milliarden Dollar ausmachen. Es sei angemerkt, dass in den Spielplänen einiger Kinos die Ankündigungen für die Filme unter merkwürdigen Titeln aufgetaucht waren – „Schnelle Rendez-vous“ („Barbie“) und „Klirrender Frost“ („Oppenheimer“). Sie sind aber schnell verschwunden.
Als eine überraschende hatte sich die Diskussion erwiesen, die um die Initiative des Vizevorsitzenden der Staatsduma, Wladislaw Dawankow (Partei „Neue Leute“), begonnen hatte, der sich an Premier Michail Mischustin mit dem Vorschlag gewandt hatte, in der Russischen Föderation die Aufführung ausländischer Filme ohne eine Zustimmung der Rechteinhaber zu erlauben. „Es ist an der Zeit, die Idee zu verwirklichen, mit der das Justizministerium bereits im vergangenen Dezember aufgetreten war: Ausländische Filme sollten entsprechend einer Zwangslizenz aufgeführt werden. Und alle Erlöse sollten an die Autoren abgeführt werden“, schrieb der Abgeordnete. Seinen Vorstoß hatte er mit einer Statistik untermauert. Die Kasseneinnahmen wie auch die Anzahl der verkauften Eintrittskarten sind im Vergleich zu den Jahren vor der COVID-Pandemie stark eingebrochen (um 57 und 62 Prozent). Das Kulturministerium, an das die Bitte mit einem Verweis auf eine Unrechtmäßigkeit von Piraterie im Kino (ist aber eine Zwangslizensierung etwa keine Legalisierung von Piraterie) entsprechend den Gesetzen der Russischen Föderation weitergeleitet wurde, lenkte mit einem Mal die inhaltliche Komponente in andere Bahnen: „Barbie“ und „Oppenheimer“ würden ja den geistig-moralischen Werten der Russischen Föderation widersprechen. Das heißt: Der für eine staatliche Finanzierung gebildete Streifen über die Pop-Gruppe „Die Hände hoch“ („und küsse mich überall, ich doch bereits eine Erwachsene“) entspricht den ausgewiesen Werten, aber der Film über die moralische Entscheidung des Schöpfers der US-amerikanischen Atombombe – nicht. Da empörten sich sogar Abgeordnetenkollegen. Der stellvertretende Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Informationspolitik, Anton Gorelkin (Kremlpartei „Einiges Russland“), schrieb: „Den Bestimmungen aus dem offiziellen Dokument (gemeint ist die Antwort des russischen Kulturministeriums – Anmerkung der Redaktion), auf die das Ministerium verweist, widerspricht m. E. nicht einer dieser Filme“. Gorelkin unterstrich, dass er auch eine Zwangslizensierung nicht unterstütze. Selbst die Verleiher unterstützen nicht die illegale Aufführung von Hollywood-Streifen. Die Ansehensverluste seien große, da schließlich die Hoffnung bestehe, dass sich die Situation mit dem Filmverleih verbessern werde.
Aus der Sicht eines Befolgens der Gesetze kann man die Haltung des von Olga Ljubimowa geleiteten Ministeriums verstehen. Für eine Aufführung in den Kinos müssen die Filme eine Verleiherlaubnis bekommen. Heute aber kann man nicht einmal Kopien illegal beschaffen, selbst sogenannte „graue“ Kopien, die früher im Rahmen einer Aufführung vor irgendwelchen Dokumentar- oder Kurzfilmen zu sehen waren. Man kann nicht das aufführen, was es nicht gibt. Ja, aber verbieten – dies kann man, wobei noch behauptet wird, dass der eine oder andere Streifen nicht den Werten entspreche. Beinahe wie in dem sowjetischen Witz über das Lied „Filzstiefel“. Wozu brauchen Sie „Barbie“? Gucken Sie „Tscheburaschka“! Dies ist aber eine Sackgasse. Das Kulturministerium hat keine Lösung für das Problem. Die Branche stirbt ohne die Kassen füllende Streifen. Die einheimische Filmindustrie produziert bisher keine Kunstwerke in den erforderlichen Mengen. Und die restriktiven Gesetze lassen auch einige Filme russischer Regisseure nicht in die Kinos.
Keiner bestreitet: „Tscheburaschka“ ist ein netter Familienstreifen, ein lange erwarteter kommerzieller Durchbruch der russischen Filmindustrie. „Die Herausforderung“ ist ein anderer für die Industrie zeichensetzender Streifen. Er erlebte gleichmäßige Zuschauerzahlen und löste keinen Rummel aus. Ja, aber der Film „Der Zeuge“, ein Streifen über die jüngsten Ereignisse in der Geschichte der Russischen Föderation, wurde im Verleih ein totaler Flopp. Die Schuld dafür schiebt man den Verleihern zu. Die Aufführungen würden zu unpassenden Zeiten geplant. (Dass aber die Geschichte des Films schlecht und nicht überzeugend erzählt wurde, wird von den Autoren unter den Teppich gekehrt. – Anmerkung der Redaktion) Dafür werden aber sofort Stimmen zugunsten einer Unterstützung (Nationalisierung) des Verleihs laut. Bisher sieht dies wie eine Utopie aus, da dies für den Staat zu teuer wird. Die Beamten, die solche Entscheidungen treffen, begreifen, dass unter den Bedingungen einer Blockade Hollywoods und einer sorgfältigen Auswahl von Angeboten hinsichtlich einer Übereinstimmung mit den sogenannten traditionellen Werten der Staat leere Kinos sponsern wird. Und die Zuschauer werden einen parallelen Verleih auf ihren Computern organisieren.