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Russlands Offizielle forderten Redefreiheit auf YouTube und Twitter


Die russischen Offiziellen verlangen, dass im Jahr vor den Duma-Wahlen YouTube, Twitter und Facebook den Nutzern aus der Russischen Föderation Rede- und Informationsfreiheit sichern. Vorgeschlagen wird, den Begriff Informationsressource, die dieses Bürgerrecht verletzt, in die Gesetzgebung einzuführen. Zu einer Bestrafung dafür kann sogar eine vollständige Blockierung der jeweiligen Plattform werden. Der Kreml versucht wahrscheinlich, die amerikanischen sozialen Netzwerke davon zu überzeugen, die Realisierung ihrer Rolle in Russland als Organisatoren und Propagandisten oppositioneller Tätigkeit aufzugeben. 

In der Staatsduma ist ein weiterer Gesetzentwurf eingegangen, der mit einer Veränderung der Bedingungen für den politischen Kampf verbunden ist. Jetzt haben sich die Herrschenden der Russischen Föderation internationaler Media-Plattformen angenommen. Im Wortlaut der Gesetzesvorlage sind sie nicht genannt worden, doch im erläuternden Begleitschreiben ist von zahlreichen Fällen einer Zensur in Bezug auf russische Nutzer und Medien auf Twitter, Facebook und YouTube die Rede.

Die neue Initiative wurde von einer Gruppe von Staatsduma-Abgeordneten und Senatoren der Russischen Föderation unterzeichnet. Und sie hat bereits von ganz oben Unterstützung bekommen. Auf jeden Fall war Dmitrij Peskow, der Pressesekretär des Präsidenten, vollkommen auf der Seite der Gesetzgeber: „Diskriminierende Handlungen dieser Dienste gibt es ganz bestimmt gegenüber russischen Kunden. Wir waren Zeugen solcher Handlungen zur Beeinträchtigung der Interessen von Nutzern aus Russland. Wir haben sie in den letzten Wochen und Monaten gesehen. Und natürlich muss man dem entgegenwirken“. Dabei präzisierte er, dass man den Mechanismus für die internationalen Internet-Plattformen sorgfältig durcharbeiten müsse, Peskow fing nicht an vorauszusagen, was dies sein werde – nur Strafen wie gegenwärtig oder doch Blockierungen.

Einer der Autoren der Gesetzesvorlage – der Chef des Staatsduma-Ausschusses für Informationspolitik Alexander Khinstein (selbst Journalist – Anmerkung der Redaktion) -, kommentierte die Initiative auf dem russischen staatlichen TV-Kanal „Rossia 24“ und erklärte: Er hoffe, dass es doch nicht auf dem Territorium Russlands zu einer Blockierung von eben jenem YouTube kommen werde. Er bestätigte aber, dass im Gesetzentwurf solch eine Wahrscheinlichkeit neben Strafen oder – sagen wir einmal – Handlungen zur Verlangsamung des Traffics verankert werde. Er erläuterte gleichfalls, dass es nicht um die Forderung nach einem vollständigen Verbot des Moderierens russischen Contents gehen, sondern darum, dass man ihn nicht zensieren dürfe, wie dies derzeit oft geschehe. Eigentlich hat Khinstein zu verstehen gegeben, dass die Herrschenden der Russischen Föderation sozusagen den IT-Giganten die Möglichkeit andeuten, sich zu einigen. 

Bisher aber sehen die vorgesehenen (Gesetzes-) Änderungen zur Nötigung der amerikanischen sozialen Netzwerke zu einem Frieden doch wie ein klassischer Gummiknüppel aus, was Khinstein im Übrigen auf jegliche Weise zurückwies.    

Der Gesetzentwurf beruht auf dem bereits bewährten Schema: Roskomnadzor (Russlands Aufsichtsbehörde auf dem Gebiet des Internets und Fernmeldewesens – Anmerkung der Redaktion) legt ein Register der „Besitzer der Informationsressourcen an, die an Verletzungen der grundlegenden Menschenrechte und -freiheiten sowie der Rechte und Freiheiten der Bürger der Russischen Föderation, die unter anderem die Informationsfreiheit garantieren, beteiligt sind“. In dieses werden auf Vorschlag des Generalstaatsanwaltes jene sozialen Netzwerke aufgenommen, die die Verbreitung gesellschaftlich relevanter Meldungen, darunter auf den Accounts russischer Medien, einschränken. Den Verletzern wird angeboten, sich zu bessern. Wenn sie nicht reagieren, wird es eine Bestrafung in Form einer teilweisen oder gar vollständigen Blockierung der Ressource geben. Vorgesehen wird ebenfalls eine signifikante Anhebung der Strafen. Wenn aber die jeweilige Ressource bereit ist zusammenzuarbeiten, so versprechen die Behörden, operativ den Zugang zu ihr wiederherzustellen. 

Es ist klar, dass die Verteidigung der Rede- und Informationsfreiheit für die Herrschenden nur ein Vorwand ist. In der Realität treten die sozialen Netzwerke überall – und selbst in den für sie heimatlichen USA – beinahe als die Hauptorganisatoren und -propagandisten oppositioneller Tätigkeit und von Protesten auf. In Russland sitzt die Opposition durchweg auf YouTube. Twitter und Facebook sind für die Nichteinverstandenen gleichfalls notwendige Instrumente für die Kontakte und das kollektive Informieren, obgleich diese Rolle immer mehr natürlich Telegram übernimmt. Die sozialen Netzwerke und Messenger-Dienste unter Kontrolle zu stellen, ist natürlich die maximale Aufgabe. Aber selbst wenn man den Oppositionellen deren Nutzung nur erschweren kann, so wird dies auch schon nicht schlecht sein (aus der Sicht der Offiziellen). 

Die Frage besteht nur darin, wie bedeutsam für die internationalen Media-Plattformen ihr russisches Segment ist. Der Blogger Oleg Kosyrjew erinnerte die „NG“ daran, dass die IT-Unternehmen in erster Linie nicht an die Politik, sondern an den wirtschaftlichen Gewinn denken würden. „Die sozialen Netzwerke verfolgen nicht besonders die Politik der verschiedenen Länder außer der USA, da sie dort ihre Hauptquartiere haben. Aber das russische Segment der internationalen Unternehmen ist derzeit ein recht kleines“. Außerdem „besteht vom Prinzip her die Empfindung, da die Kosten große sind und es schwer ist, Geschäfte zu machen, dass sie bereit sind, jeden Augenblick Russland zu verlassen“, unterstrich er. 

Auf den Versuch, die Medien zu regulieren, haben erwartungsgemäß auch Vertreter der Telegram-Community reagiert. „Anlässe für eine Blockierung gibt es mehr als genug. Entwickelt zuerst aber nur einmal Blockierungsinstrumente“, schreiben die skeptischen Autoren des Kanals „Gnadenloser PR-Mann“ (https://t.me/prbezposhady). „Damit es nicht ausgeht, wie mit Telegram. Allerdings werden selbst erfolgreich funktionierende Restriktionen nicht helfen. Das Land kann nicht unter Bedingungen der siegreichen Nachrichtenagentur TASS mit ihren Gasknallern leben. Es ist merkwürdig, darauf zu setzen. Unser Staat ist wie ein Mädchen, das abzumagern versucht und dafür eine Zaubertablette sucht. Es gibt keinerlei Zaubertabletten. Man muss an sich arbeiten.“

„Die Angelegenheit wird wohl kaum zu einer Blockierung führen. Unserer Ansicht nach soll der Gesetzentwurf in erster Linie die „souveräne Entschlossenheit“ Russlands demonstrieren, sich den Schikanen seitens der ausländischen Unternehmen zu widersetzen“, vermutet der Kanal „Kerker“ (https://t.me/polittemnik).