Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Sanktionen im Kulturbereich bringen den einheimischen Filmmarkt um


Bald nach Beginn der von Russlands Präsidenten Wladimir Putin angeordneten militärischen Sonderoperation in der Ukraine haben die Marktführer der internationalen Filmindustrie eine Einstellung der Tätigkeit in der Russischen Föderation bekanntgegeben. Und im Verlauf des vergangenen Monats hat der Prozess eines Verzichts auf eine Zusammenarbeit an Tempo und größeren Ausmaßen gewonnen. Die Disney Studios, Sony Pictures, die Paramount Studios und Universal arbeiten mit Russland vorerst nicht mehr. Das heißt: Auf dem Landesterritorium werden eine Reihe von Blockbustern nicht gezeigt werden, unter denen „The Batman“, „Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse” (Originaltitel: Fantastic Beasts: The Secrets of Dumbledore), „Ambulance”, „Jurassic World: Ein neues Zeitalter” (Originaltitel: Jurassic World Dominion) und „Sonic the Hedgehog 2” sind. Die Abos annullieren die Spitzenreiter der Online-Kinos. Unter anderem arbeitet Netflix den vorerst letzten Monat in Russland. Das Unternehmen hat gleichfalls die Produktion gemeinsamer Projekte mit russischen Filmschaffenden eingestellt – die Serien „Anna K“ mit Swetlana Chodtschenkowa, „Nichts besonderes“ mit Jura Borisow, der Thriller „Dafür“ von Darja Shuk usw.

Eindeutig geäußert haben sich die angesehenen Filmfestivals. Offizielle russische Delegationen erwartet man nicht in Cannes, Venedig, Berlin usw. Ja, und der Präsident des russischen Filmfestivals „Kinotawr“, Alexander Rodnjanskij, erklärte, dass diese Filmfestspiele im russischen Schwarzmeerkurort Sotschi ebenfalls nicht stattfinden werden.

Laut Prognosen können die Verleiher rund fünf Milliarden Rubel verlieren. Vorläufige Berechnungen sind für den März vorgenommen wurden. Es ist aber offensichtlich, dass sich im Frühjahr etwas ändern wird. Und daher werden die anfänglichen Zahlen um ein Mehrfaches zunehmen. Somit erwartet die Verleiher, die noch nicht die Folgen der COVID-19-Pandemie überstanden haben, ein finanzieller Kollaps. Es ist nicht ausgeschlossen, dass viele Kinos für immer schließen werden. Die Vereinigung der Kinobesitzer hat sich bereits zwecks Hilfe an den Staat gewandt. Wird er es aber für nötig halten, die Kinosäle zu unterstützen, in denen nichts zu zeigen ist?

Die ausländischen Konzerne erleiden auch kolossale Verluste. Der russische Markt war riesig. Aber in dieser Situation bewegt mehr die Frage, was die einheimische Filmindustrie erwartet. Um zumindest irgendwie die Spielpläne zu füllen, hat man selbst den Film von Alexej Balabanow „Der Bruder“ aus dem Regal genommen. Zum Verleih kommen auch die Spitzenreiter der vergangenen Jahre – „Der Hörige“, „Bewegung nach oben“ u. a. Jetzt hat sich also eine ideale Situation für eine Beurteilung der großangelegten Tätigkeit zum Promoten des einheimischen Kinos ergeben, die seinerzeit unter dem damaligen Kulturminister Wladimir Medinskij gestartet wurde und oft mit spekulativen Methoden jonglierte. Das traurige Ergebnis ist: Ohne die westlichen Premieren wird der Filmmarkt das Zeitliche segnen. Wie sehr sich auch die Veranstalter der Pitchings (eine kurze mündliche Propagierung der Idee zu einem Film vor Repräsentanten eines Studios bzw. Produzenten der Film- und Fernsehindustrie, wobei diese von der Präsentation des Filmkonzepts soweit überzeugt werden sollen, dass sie bereit sind, in das geplante Projekt finanziell zu investieren – Anmerkung der Redaktion) und Verteiler kostenfreier Zuschüsse bemühten: Heute gibt es praktisch nichts zum Vorzeigen. Denn macht es etwa Sinn, die Flops „Soja“ oder „Krim“ erneut zum Verleih zu bringen, die die Zuschauer und Experten aufgrund der schwachbrüstigen künstlerischen Qualitäten kritisiert hatten? Medinskij erklärte am Donnerstag, dass man „sogar gutes ausländisches Kino ohne Autorenrechte“ zeigen können. „Wer braucht den heutzutage diese Autorenrechte?“.

Während die Zukunft der russischen Filmindustrie eine vage ist, ist es völlig klar, dass die schöpferische Freiheit im Land in Gefahr ist. Zuschüsse werden entweder dafür bereitgestellt, was für den Staat bequem und komfortabel ist, zum Beispiel nicht mit dem realen Leben verbundene Komödien, oder für ideologisch richtiges Kino. Sicherlich liegt bereits auf irgendeinem Schreibtisch ein Drehbuch über die Verteidiger des Donbass. Dies bedeutet aber, dass der Untergang des Autorenkinos unweigerlich ist: Selbst, wenn die Filmemacher eine Finanzierung finden, können die Streifen die Zensur nicht überstehen.

Im russischen Kulturministerium ist eine Konzeption für die Entwicklung des einheimischen Films bis 2023 fertig. Bei ihrer Vorstellung im Rahmen einer Sitzung des Staatsduma-Ausschusses für Kulturfragen sagte Vizekulturministerin Alla Manilowa: „Es besteht ein Verständnis in der Regierung, dass man die Branche nachfinanzieren, zusätzlich unterstützen muss. Ich meine die eigene Filmproduktion, die russische, die jetzt in quantitativer Hinsicht die Lücken schließen muss“. Und sie fügte hinzu, dass die Ereignisse des letzten Monats zu einem „Trigger-Mechanismus“ geworden seien, der eine schnellstmögliche Bestätigung der Konzeption stimuliere. In dem Dokument geht es um eine Wiedergeburt von Filmstudios – von „Lenfilm“, dem Swerdlowsker und dem Gorki-Studio. Wenn es aber zum für das Land schlimmsten Szenario kommt, werden wir ins vergangene Jahrhundert zurückkehren, in dem in den Kinos nur einheimische Filme gezeigt wurden. Freilich hatte es damals aber für dessen Schaffung Bedingungen gegeben. Heute aber existieren sie nur auf dem Papier, in einer bisher nicht angenommenen Konzeption für die Entwicklung der Branche.