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Spielfilme zum Tag des Sieges – wie war es dieses Mal?


Der Beginn des Verleihs von Spielfilmen über den Großen Vaterländischen Krieg ist in Russland in den letzten Jahren zu genau solch einem unbedingten Attribut des Tages des Sieges wie auch die des städtischen Designs in den Farben des Georgsbandes geworden. Und der 9. Mai 2022 ist auch zu keiner Ausnahme geworden. Die Filmindustrie des Landes wartete gleich mit zwei neuen Werken, die das breite Publikum erreichen sollten: die Kriegsdramen „Der erste „Oscar““ von Sergej Mokrizkij und „1941. Flügel über Berlin“ von Konstantin Buslow. Und der einstige Verbündete der UdSSR in der Antihitler-Koalition – Großbritannien – offerierte den russischen Kinogängern den politischen Retrokrimi von John Madden „Die Täuschung“ (Originaltitel: „Operation Mincemeat“, der am 26. Mai in die deutschen Lichtspielhäuser kommen soll).

Welcher der Streifen hatte in Sachen Rating die Nase vorn? Ja, derzeit ist es eigentlich lächerlich, von irgendwelchen Ratings zu sprechen. In allen Fällen sind die Zahlen nicht der Rede wert. Während die Vorsitzende des Kulturausschusses der Staatsduma (des Unterhauses des russischen Parlaments – Anmerkung der Redaktion) Jelena Jampolskaja (Kremlpartei „Einiges Russland“) sich über die „Schließung des geistigen McDonalds“ freut, rechnen die Kino-Besitzer aus, wie lange sie sich noch ohne die populären „Fastfood-Gerichte“ eben dieses McDonalds über Wasser halten können. Die Berechnungen sind trostlose: Die Vereinigung der Kino-Besitzer verbreitete am 27. April eine Erklärung, in der sie warnt, dass, wenn nicht im Verlauf der nächsten dreißig Tage auf staatliche Ebene Entscheidungen zur Rettung des Filmverleihs und der Aufführung von Filmen ergriffen werden, „bis zum Ende des Sommers schon keiner mehr zu retten sein wird“.

Nach Aussagen der Ex-Kulturjournalistin Jelena Jampolskaja schaffe das Verlassen des russischen Marktes durch die großen Hollywood-Studios die einmalige Chance, „die einheimische Filmproduktion mit Ideen und Gedanken sowie Werten anzureichern“. Augenscheinlich steht diesen neuen „angereicherten“ einheimischen Filmproduktionen bevor, die verschwundenen „ungesättigten“ zu ersetzen – sowohl die US-amerikanischen als auch die europäischen und im Übrigen auch die russischen aus dem Bereich des Art-House-Kinos. Es sei daran erinnert, dass mehrere einheimische Streifen, die im vergangenen Jahr auf internationalen und russischen Festivals präsentiert und ausgezeichnet wurden, letztlich doch nicht in den Verleih gekommen sind, der früher für das Frühjahr dieses Jahres geplant worden war. Dafür sind zum erneuten Tag des Sieges zusammengeschusterte Kriegsdramen in die Kinos gekommen. Die Situation haben sie aber erwartungsgemäß nicht gerettet. Ehrlich gesagt ist ihr Auftauchen in den russischen Kinosälen zu den Mai-Feiertagen im Grunde genommen nur eine Rettung für deren Autoren geworden. Die trostlosen Box-Office-Zahlen kann man damit rechtfertigen, dass den Menschen in diesen Tag nicht nach Kinobesuchen gewesen war. Alle pflanzten in den Schrebergärten Kartoffeln oder grillten Schaschliks. Ob man diese Filme später im Fernsehen zeigen wird, werden wir sehen.

Geschichten von Front-Kameramännern, die für die Kriegschroniken drehten, ihr Leben riskierten, mit der Filmkamera in den Händen ums Leben kamen, aber den Krieg auf Zelluloid festgehalten haben, sind ein edles dramaturgisches Material, das bisher aus irgendeinem Grunde keinem Spielfilm zugrunde gelegt worden war. Sergej Mokrizkij hatte sich angeschickt, dieses Versäumnis zu beheben, zumal er selbst ursprünglich ein Kameramann ist. Über ihn als einen Filmregisseur zu sprechen, begann man nachdem von ihm gedrehten Streifen „Schlacht um Sewastopol“ aus dem Jahre 2015, einem großangelegten quasibiografischen Drama über das Schicksal der Scharfschützin Ljudmila Pawlitschenko (Titel im deutschen Kinoverleih „Red Sniper – Die Todesschützin“). „Der erste „Oscar““ ist ebenfalls über jene Zeit. Die Helden des Streifens sind Studenten der Fakultät für Kameramann-Ausbildung des WGIK, der staatlichen Filmhochschule in Moskau, die entgegen der Anordnung der Hochschulleitung, mit dem Institut nach Alma-Ata die Evakuierung anzutreten, 1941 an die Front vorgedrungen waren. Nach dem Überstehen eines ersten Schocks und leichter Prellungen beteiligen sie sich am Kampf um Material für einen Dokumentarfilm über die Verteidigung Moskaus. Man wartet im Unternehmen „Sojuskinochronika“ sehr darauf.

Der Film „Die Zerschlagung der deutschen Truppen vor Moskau“ bewirkte nicht nur eine Revolution in der Dokumentarfilmkunst. Es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass er in einer gewissen Weise den Verlauf des Zweiten Weltkrieges bestimmte. Im amerikanischen Verleih lief der Film unter dem Titel „Moscow Strikes Back“. Und gerade er wurde 1943 zum ersten Dokumentarfilm in der Geschichte der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, der mit einem „Oscar“ gewürdigt wurde.

Wenn man den Vorspann des Films „Der erste „Oscar““ verpasst hat, denkt man, dass ein Schüler der 10. Klasse den Streifen gedreht hat, durch dessen Enthusiasmus in der Schule ein Schauspielzirkel lebt. Daher wäre es auch nicht seriös, den Film von Mokrizkij entsprechend der „Hamburger Rechnung“ (jeder zahlt für sich selbst, entsprechend einem Wertesystem, das frei von kurzfristigen Umständen und eigennützigen Interessen ist – Anmerkung der Redaktion) auseinanderzunehmen. Es sei nur hervorgehoben (im oben vorgegebenen Kontext der „Ideen und Gedanken sowie Werte“), dass sich der Hauptkonflikt im Film „Der erste „Oscar““ zwischen zwei Studenten der Kameramann-Fakultät aus ein und demselben Studienjahr abspielt und vom Wesen her eine Auseinandersetzung von zwei künstlerischen Ideologien ist. Der Kameramann Maiskij veranlasst lebende Menschen vor der Kamera das darzustellen, was gefordert wird. Und dies wird als Kriegschronik ausgegeben. Bei ihm stellen sich Angehörige der Roten Armee mit geschulterten Maschinenpistolen auf und rufen mit unnatürlicher Stimme Losungen. Und gefangengenommene Deutsche kommen mehrmals aus einem Unterstand heraus, damit man danach die Möglichkeit hat, das wirkungsvollste Double auszuwählen. Alperin aber dreht erschöpfte, schweigende Sowjetsoldaten mit einer wässrigen Suppe in den Blechkochtöpfen. Seine Kamera schaut in die von Schmerz verzerrten Gesichter Verwundeter in einem Lazarett. Er dreht das von Faschisten geplünderte Tschaikowskij-Museum in Klin, erstarrte Leichname von Bauern, die durch die Okkupanten zu Tode gepeinigt wurden. Und gerade diese Bilder kommen in den Film „Moscow Strikes Back“, der auch die satten Amerikaner veranlasste, zusammenzuzucken und sich richtig in den Kampf gegen das faschistische Regime einzuschalten. Und entsprechend alldem ergibt sich im Film von Mokrizkij, dass die Zukunft Alperin gehört.

Auch für Konstantin Buslow ist das nunmehrige Kriegsdrama mit dem merkwürdigen und irgendwie unbequemen Titel „1941. Flügel über Berlin“ bereits das zweite Unterfangen, sich an diesem „Gerät“ zu versuchen. Vor ein paar Jahren drehte er das Biopic (die Filmbiografie) „Kalaschnikow“ über das Schicksal des Erfinders der legendären AK-47-Maschinenpistole (die Premiere erfolgte am 20. Februar 2020 – Anmerkung der Redaktion). Der Streifen „1941. Flügel…“ scheint eine grobschlächtig zusammengehackte Kinoversion einer TV-Serie aufgrund der Fülle von Personen zu sein, deren Handlungslinien ausgiebig angedeutet, aber zusammen mit dem eigentlichen Sujet verloren gegangen sind. Es entsteht der Eindruck, dass es für die Autoren am interessantesten gewesen war, die Episoden der Luftkämpfe zu gestalten. Sie sind offenkundig von erfahrenen Shooter-Spielern entwickelt worden.

An erster Stelle standen hier – wie auch im entsprechenden Lied aus dem von Semjon Timoschenko 1945 gedrehten sowjetischen Musikfilm „Nebesnyj tichochod“ (deutsch: „Himmlischer Leisetreter“) – die Flugzeuge. Mädchen kommen allerdings auch vor, wobei solche, dass jeder Bursche seine Augen nicht von ihnen abwenden kann (in der Rolle einer Dorflehrerin ist beispielsweise die langbeinige, gebräunte und mit schneeweißen Zähnen aufwartende Debütantin Leonela Manturowa, die Tochter von Russlands Industrie- und Handelsminister Denis Manturow und der plastischen Chirurgin Natalia Manturowa). Die Haupthelden sind hier Militärpiloten, die man bereits in den ersten Kriegswochen auf einen geheimen Flugplatz in Estland geschickt hatte. Von dort sollen sie mit recht unvollkommenen sowjetischen Flugzeugen bis nach Berlin fliegen, tonnenschwere Bomben und Flugblätter abwerfen und zurückkehren. Natürlich verläuft die Operation nicht einfach ab, insgesamt aber dennoch gut. Alle kehren aus dem Gefecht zurück. Und im Abspann teilt man uns mit, dass es noch viele weitere solcher waghalsigen Aktionen gegeben hätte. Und die ersten Erfahrungen aus dem Abwerfen von Bomben auf die Hauptstadt Deutschlands „hatten eine wichtige moralische Bedeutung“. Das Licht im Kinosaal geht an, und im Kopf stellt sich die gesetzmäßige Frage „Ja, und?…“.

Den Zuschauer kann man mit solchen Kriegsfilmen nicht gewinnen. Sie sind infantil vom Inhalt und unvollkommen von der Form her. Die Besucherzahlen belegen dies eindeutig. In fünf Wochen und trotz massiver Werbung im russischen Staatsfernsehen interessierten sich nur 271.990 Bürger Russlands für den Film „Der erste „Oscar““. Der Streifen von Konstantin Buslow kam in der ersten Verleihwoche auf 348.307 verkaufte Eintrittskarten, wobei die letzten Tage zeigen – ein Kassen-Flop, der auch aus dem russischen Staatshaushalt üppig finanziert wurde (sicherlich ein Fall für den Rechnungshof – Anmerkung der Redaktion).

Der britische Film „Die Täuschung“, der vom Wesen her eine Genre-Attraktion auf der Basis von für Russlands Bürger sakralem Material über den Zweiten Weltkrieg ist, läuft dem „Ersten „Oscar““ und den „Flügeln über Berlin“ absolut auf und davon, denn dies ist ein Produkt von Qualitätsarbeit. Ein handfestes und bis ins Detail ausgefeiltes Drehbuch, ein menschlicher und sogar eleganter Text, der in der Interpretation ausgezeichneter britischer Darsteller (z. B. Colin Firth und Mark Gattis sowie Kelly Macdonald, aber auch der deutsche Schauspieler Alexander Beyer) wie Musik erklingt. Die historischen Kostüme, die Innenausstattung und Dekorationen sind geschmackvoll gestaltet worden. Der filigrane Filmschnitt verleiht dem Streifen einen Rhythmus, der dem Zuschauer nicht eine Minute erlaubt, den Handlungsfaden zu verlieren (der Film hat eine Länge von 128 Minuten). Und schließlich ist dies eine Geschichte darüber, wie mehrere sympathische Männer aus der britischen Gegenaufklärung dem Vereinigten Königreich und den USA im Zweiten Weltkrieg einen Sieg sicherten. Indem man das berühmte Zitat aus dem Finale der berühmten Billy-Wilder-Komödie „Manche mögen’s heiß“ aufgreift, sei gesagt: Niemand ist vollkommen! (im Original: „Well, nobody’s perfect!“).