Fast ein halbes Jahr war die Initiative zur Ergänzung des Strafgesetzbuches durch einen speziellen Paragrafen über die Bestrafung ausländischer Amtspersonen auf die lange Bank geschoben worden. Es geht um einen Freiheitsentzug von bis zu fünf Jahren für jene Vertreter ausländischer Staaten oder internationaler Strukturen, die den Versuch unternehmen, auf dem russischen Territorium eine Art von Nachforschungen durchzuführen. Zum Anlass wurden die Aktivitäten des Internationalen Strafgerichtshofes (ISGH) in Den Haag, dessen Entscheidungen Russland nicht als legitime anerkennt, da es nicht an seiner Arbeit teilnimmt. Jetzt hat man die Gesetzesvorlage aus der Versenkung hervorgeholt. Und allem nach zu urteilen, wird die erste Lesung bald stattfinden. Danach wird sich eine Grundlage für die „Bereicherung“ des Strafgesetzbuches auch durch andere Verbote ergeben. Zum Beispiel für die Bürger Russlands, die mit dem Westen zusammenarbeiten oder dessen Politik unterstützen. Das heißt, es wird gegen eben jene sogenannten ausländischen Agenten und nichtloyalen Ausgewanderten vorgegangen.
Die Gesetzesnovelle über Änderungen am Strafgesetzbuch war bereits im vergangenen Oktober im russischen Unterhaus eingebracht worden. Unterschrieben hatten sie rund ein Dutzend angesehener Abgeordneter inkl. der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Sicherheit, Wassilij Piskarjow (Kremlpartei „Einiges Russland“). Dieser leitet auch noch eine Sonderkommission der Staatsduma zur Abwehr einer äußeren Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Russischen Föderation. Unter den anderen Gesetzgebern mit langen Erfahrungen ist beispielsweise der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses der Duma, Andrej Kartapolow (Kremlpartei „Einiges Russland“). Anders gesagt, solche Initiativen tauchen nicht einfach so auf. Folglich ist es besonders merkwürdig gewesen, dass das Dokument beinahe ein halbes Jahr lang auf die lange Bank geschoben wurde.
Dies löst umso mehr Fragen aus, weil die Gesetzesvorlage überhaupt bereits seit dem Frühjahr vergangenen Jahres vorbereitet wurde. Die Volksvertreter vermochten eine vollkommen billigende Reaktion vom Obersten Gericht der Russischen Föderation und eine relative Billigung seitens der Regierung erhalten. Ihre Anmerkungen waren übrigens nicht so sehr konzeptionell-inhaltliche als vielmehr juristisch-technische und darauf ausgerichtet, dass die neue strafrechtliche Norm keine rechtlichen Probleme gerade für diejenigen auslöst, die sie künftig anwenden sollen. Mit den Straftaten, die durch den Paragrafen 294.1 des Strafgesetzbuches vorgesehen sind, soll sich auf Vorschlag der Duma-Vertreter natürlich das Untersuchungskomitee Russlands befassen. „Der Paragraf zielt auf eine Verstärkung des Schutzes der Souveränität der Russischen Föderation vor einer Einmischung in deren inneren Angelegenheiten, in das Gerichts- und Rechtsschutzsystem, aber auch auf die Schaffung eines zusätzlichen Mittels für ein Anfechten der Zulässigkeit der Beweise, die durch die in ihm ausgewiesene Art und Weise zusammengetragen werden, ab. Er ähnelt den Normen der sogenannten „blockierenden“ Gesetzgebung, die in einer Reihe von Ländern verwendet werden“, wird in einem Begleitschreiben betont.
Jetzt hat der zuständige Ausschuss für Gesetzgebung den Entwurf behandelt und bereitet die erste Lesung vor. Danach werden die Duma-Vertreter ein bereits durchaus traditionelles Instrument in die Hände bekommen, mit dessen Hilfe dem Anfangsdokument irgendwelche neuen x-beliebigen Änderungen hinzugefügt werden. Da eine Korrektur des Strafgesetzbuches geplant ist, kann man annehmen, dass als „Anhängsel“ zur zweiten Lesung entsprechende Initiativen gegen die sogenannten ausländischen Agenten und den Ausgewanderten, die den Herrschenden der Russischen Föderation nicht loyal gegenüberstehen, angeschoben werden. Heutzutage werden beinahe jeden Tag dem Publikum die einen oder anderen Maßnahmen mal von der einen, ein anderes Mal von einer anderen Parlamentspartei vorgeschlagen. Es ist klar, dass dies alles vor allem mit einer PR-Aktion zu tun hat. Einzelne Vorschläge werden aber augenscheinlich doch umgesetzt. Vor allem solche Verbote in Bezug auf die Tätigkeit von Feinden des Staates, deren Verstöße gerade auch ein Reagieren aus der Sicht des Strafgesetzbuches verlangen.
Post Scriptum
Bereits nach Redaktionsschluss für den vorliegenden Beitrag informierte Wassilij Piskarjow, der als Vorsitzender des Sicherheitsausschusses der Duma fast im Fließbandverfahren ein Verbot nach dem anderen zu formulieren weiß, dass neue Gesetzentwürfe über eine straf- und ordnungsrechtliche Haftung aufgrund der Teilnahme an der Tätigkeit unerwünschter Organisationen im russischen Unterhaus eingebracht worden seien. Die Gesetzesnovellen sehen dafür beispielsweise Geldstrafen von bis zu 500.000 Rubel oder eine Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren für einzelne Personen vor. Sollten diese die Tätigkeit solcher Organisationen organisieren, können es auch bis zu sechs Jahre Freiheitsentzug werden. Bei der Erläuterung der möglichen Tatbestände erklärte der Vertreter der Kremlpartei, dass als eine Teilnahme an der Tätigkeit unerwünschter Institutionen beispielsweise die Beteiligung an Foren, Konferenzen und Zusammenkünften derartiger Organisationen sowohl in Russland als auch im Ausland angesehen werden könnte.
Sicherlich wird dies nicht das letzte restriktive Gesetz sein, dass durch die Staatsduma gebilligt wird. Am 7. Mai beginnt die fünfte Amtszeit von Wladimir Putin als russisches Staatsoberhaupt. Und in dieser sechs Jahre währenden neuen Amtszeit finden sich gewiss genug Anlässe, um die Bürgerrechte und -freiheiten in Russland weiterhin zu beschneiden.