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Über das Vertrauen zu den Informationsquellen


Das Levada-Zentrum hat Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht, die den Informationsquellen galt, die die Bürger Russlands nutzen. Dies war die neunte derartige Untersuchung seit August 2009.

Bei einer Gegenüberstellung der Zahlen dieser Jahre fällt sofort eine durchaus natürliche Tendenz auf. Immer weniger Menschen erfahren Neuigkeiten aus dem Fernsehen. Noch im März des Jahres 2018 wiesen das Fernsehen als Informationsquelle 85 Prozent der Befragten aus. Im August dieses Jahres waren es nur noch 69 Prozent. Innerhalb von elf Jahren hat sich dieser Anteil um 25 Prozent verringert. Gleichzeitig hat die Popularität des Internets zugenommen. Im März des Jahres 2018 haben 21 Prozent der Befragten Neuigkeiten aus den sozialen Netzwerken erfahren. Jetzt nutzen 38 Prozent diese Quelle. Die Popularität der Internetmedien hat in dieser Zeit gleichfalls von 27 bis auf 37 Prozent zugenommen.

Gesondert stellte man den Bürger eine Frage über das Vertrauen gegenüber den Informationsquellen. Aufschlussreich ist, dass in den elf Jahren das Vertrauen gegenüber dem Fernsehen von 79 auf 48 Prozent zurückgegangen ist. Ausgehend von diesen Zahlen könnte man zu der Annahme gelangen, dass der Fernseher aufhört, ein effektives Mittel zur Überzeugung und für die Propaganda zu sein. Und die populäre Medienverpackung hilft schon nicht mehr, die Message, die Informationsware zu verkaufen. In Wirklichkeit jedoch vertraut man nach wie vor dem Fernsehen mehr als beispielsweise den sozialen Netzwerken (48 Prozent gegenüber von 24 Prozent). Überdies waren die Menschen, die dem glauben, was man im Fernsehen gesehen hat, stets weniger als die eigentlichen Zuschauer. Und die Daten des Levada-Zentrums für die letzten elf Jahre belegen dies.

Wenn das Vertrauen in die Medien eine vorrangig unkritische Wahrnehmung der Informationen impliziert, so ist der Wert von 48 Prozent immer noch ein sehr hoher. Das Fernsehgerät ist ein bequemes Mittel zur Manipulation, vor allem der politischen. Wenn fast die Hälfte der von den Soziologen befragten Menschen sagen, dass sie dem Fernsehen glauben, bedeutet dies, dass die Gesellschaft für solch eine Manipulation leicht empfänglich ist. In Russland sind die Herrschenden ein faktischer TV-Monopolist. Und das Vertrauen der Bürger in das Fernsehen erleichtert deren Aufgabe.

Allerdings sollte man nicht denken, dass die Gesellschaft zu einer politisch reiferen und moderneren wird, wenn die Vertrauenswerte für das Fernsehen und die sozialen Netzwerke oder die Internetressourcen die Plätze tauschen. Den Reifegrad kann man eher anhand des Grades der kritischen Haltung beim Informationskonsum beurteilen. Die Werte für das Vertrauen gegenüber den sozialen Netzwerken und dem Internet müssen auch nicht wesentlich über 24 Prozent liegen. Dies würde das Entstehen eines neuen und effektiven Propaganda-Instruments bedeuten, aber keinen Schritt in Richtung Aktualität.

Die neuen Medien setzen einen anderen Typ von Informationskonsum voraus. Man kann und muss moderne Informationsquellen nutzen. Doch man muss ganz und gar nicht unbedingt allem glauben, was publiziert wird. Der klassische Fernsehzuschauer konsumiert passiv die Botschaften bzw. Messages. Er überprüft nicht deren Wahrheitsgehalt. Der Konsum bzw. die Nutzung von Informationen in den sozialen Netzwerken und auf Internetseiten setzt gerade solch eine Überprüfung voraus, stimuliert sie, veranlasst zu ihr. Dafür gibt es Links. Dies fördert die Erörterung bzw. Diskussion über jegliche Nachricht im Netz. 

Laut der Umfrage des Levada-Zentrums gelangten im August bei den Bürgern, die dem Internet vertrauen, die Ereignisse in Weißrussland, die Ereignisse in Chabarowsk und die Vergiftung von Alexej Nawalny in die Top-3 der Nachrichten. Bei denen, die dem Fernsehen Vertrauen schenken, war das Nawalny-Thema nicht einmal unter den Top-5. Die Organisation des Informationsraumes im russischen Fernsehen lässt ein Verschweigen von Themen zu. Dies war aber weitaus leichter zu bewerkstelligen, als das Radio und die Zeitungen die Konkurrenten des Fernsehers waren, und nicht die lebendigen Internetmedien. Jeder beliebige, der mehrere Quellen nutzt, kann die informationsseitigen Unstimmigkeiten sehen. Dies wirkt und beeinflusst unweigerlich das Fernsehen. Für dieses Medium wird es schwieriger, das zu verschweigen, was für die Internetnutzer interessant ist. Und jegliche vom Fernsehen angebotene Interpretation von Ereignissen kann den Internetzgesetzen der Überprüfung und des Anzweifelns unterzogen werden.

Wird also die Ära der Propaganda zu Ende gehen? Wohl kaum. Eher wird sich ihre Qualität verändern. Für grobschlächtige und unkluge Interpretationen wird es schwieriger werden, sich auf dem Informationsmarkt zu halten.