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Über die Gleichgültigkeit gegenüber den neuen Partei-Projekten


Das staatliche Gesamtrussische Zentrum für Meinungsforschung (VTsIOM) veröffentlichte Daten einer Umfrage, die der Haltung der Bürger zur Vereinigung der Parteien „Gerechtes Russland“, „Für die Wahrheit“ und „Patrioten Russlands“ gewidmet war. In der einen oder anderen Weise sind ganze 33 Prozent der Befragten über diese Allianz informiert. Unter ihnen steht beinahe die Hälfte (48 Prozent) der am 22. Februar erfolgten Vereinigung gleichgültig gegenüber, weitere 8 Prozent – negativ.

Bemerkenswert ist, dass 22 Prozent der Befragten die Auffassung vertreten, dass die neue Struktur für eine Entwicklung der Marktwirtschaft eintreten werde. Dies belegt einen gerecht geringen Grad ihrer Informiertheit darüber, was für Parteien sich da vereinigen und womit sie sich befassen wollen. „Gerechtes Russland“ ist eine linke Partei, und „Für die Wahrheit“, die der Schriftsteller Sachar Prilepin anführt, unterstützt ganz und gar auch eine Rückkehr zur Planwirtschaft.

Dies ist nicht die einzige lautstarke und gar radikale These, mit der die Vertreter von „Für die Wahrheit“ in die Politik gehen. Sie plädieren unter anderem für eine Wiedereinführung der Zensur, was überhaupt nicht selbst mit dem überarbeiteten Text der russischen Verfassung harmoniert. Im Übrigen schlägt der Schauspieler Iwan Ochlobystin, der in der Partei eine aktive Rolle spielt, vor, die Bestimmung des Grundgesetzes über das Verbot einer Staatsideologie aufzuheben. Anders gesagt: „Für die Wahrheit“ ist im Grunde genommen nicht dagegen, neue Änderungen an der Verfassung vorzunehmen. Neben allem anderen unterstützt diese Partei einen Expansionismus in der Außenpolitik und ein „Sammeln“ bzw. „Zusammenführen“ der postsowjetischen Gebiete.

Der Grad der generellen Informiertheit über die neue Parteienvereinigung überrascht nicht. Russlands Bürger verfolgen im Zeitraum zwischen den Wahlen nicht sehr aktiv die Innenpolitik. Weitaus bezeichnender ist die relative Gleichgültigkeit jener, die auf dem Laufenden sind. Ihrerseits gibt es weder eine Genugtuung noch eine betonte Ablehnung der Initiative. Es kann angenommen werden, dass die Körperbewegungen der traditionellen Duma-Parteien bei den Bürgern kein verstärktes Interesse auslösen. Jedoch ist die Partei „Für die Wahrheit“ eine junge Bewegung, die es noch nicht geschafft hat, einem über zu sein. Ihre lautstarken programmatischen Erklärungen sind dazu berufen, das Passionarische zu reflektieren.

In der normalen Politik wird das Auftauchen einer neuen Partei jeglicher Ausrichtung – angefangen beim Nationalpopulismus und Linksradikalismus bis hin zum marktwirtschaftlichen Liberalismus – durch ein Bedürfnis von unten her diktiert. Es bedeutet immer, dass die Menschen auf dem politischen Markt kein notwendiges Angebot erhalten, und das Umfeld reagiert darauf. Jegliche radikalen Losungen von der Art „Abnehmen und aufteilen!“, „Die Böden sind zurückzugeben!“ oder „Für eine Wiedereinführung der Zensur!“ müssen bedeuten, dass ein erheblicher Teil der Bürger dies hören möchte und bereit ist, dies zu unterstützen. Und wichtig ist, dass irgendwer dies zu einem konkreten Programm ausformuliert. Wenn eine alte Partei mit einer jungen ein Bündnis eingeht (wie dies im Fall mit „Gerechtes Russland“ geschieht), so muss dies auch bedeuten, dass sie die Stimme der Menschen erhört und ein neues Publikum gewinnen und mit der Zeit Schritt halten will.

Die VTsIOM-Angaben belegen ihrerseits, dass die Vereinigung des „linken Zentrums“, wie dies die Soziologen bezeichnen, keine stürmische Reaktion der Massen auslöst. Und das Leben des politischen Systems in Russland ist allem Anschein nach einer eigenen, nicht ganz gewohnten Logik untergeordnet. Bei der natürlichen Ermüdung der Bürger von den traditionellen Parteien bleiben sie in Vielem apolitische. Und die Herrschenden nutzen dies aus und versuchen, eigenständig eine gewisse künstliche Nachfrage zu schaffen – und gleichzeitig eine Antwort darauf zu liefern.

Nicht wenige Menschen (auch jener Prilepin) wollen in die Politik gelangen. Aber sie beginnen die Bewegung nicht von unten her. Sie formulieren gleich einen Anspruch bzw. Antrag auf die Teilnahme an der politischen Ausschreibung, die man von oben her veranstaltet. Wenn den Offiziellen das gefällt, was man ihnen vorschlägt, wenn sich dies in ihre Sicht des Systems einfügt, bekommen die neuen Leute eine Zulassung. Zur gleichen Zeit steht vor den Herrschenden die Aufgabe, die bewährten Strukturen zu bewahren und die zuverlässigen Leute nicht zu verstoßen. Ja, und so werden auch linke Allianzen in der Art der Vereinigung der Vertreter von „Gerechtes Russland“, von „Für die Wahrheit“ und von den „Patrioten Russlands“ aus der Taufe gehoben. Das VTsIOM, das eine schwache generelle Informiertheit und Gleichgültigkeit konstatierte, räumt der neuen Struktur 11 Prozent bei den Wahlen ein. Ergo ist augenscheinlich das Ziel erreicht worden.