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Über die Rechtsgrundlagen für ein Eingreifen in den innenpolitischen Konflikt in Weißrussland


Wenn Lukaschenko ein Ganove und Fälscher der Wahlergebnisse ist, so destabilisiert gerade er die Situation im Land. Und Putin müsste mit seiner Reserve von Vertretern der Rechtsschutzorgane eingreifen und die ehrlichen Menschen von Weißrussland verteidigen. 

Aber der Sicherheitsrat der Russischen Föderation hat anders entschieden, nachdem er die geopolitischen Risiken für Russland beurteilte. Und wie sie die konservative Superelite Russlands begreift, nicht zu Gunsten der Lukaschenko-Gegner. Ich denke, dass man einmütig abstimmte, um Lukaschenko als einen legitimen anzuerkennen. Dies erklärt die Verwendung dieser Beschreibung durch Putin beinahe drei Wochen nach den Wahlen. Wenn er legitim ist, so destabilisiert die Opposition die Situation. Und man ist bereit, unsere Vertreter der bewaffneten Organe zum Auseinandertreiben der Protestierenden zu entsenden.

Ich bat den Leiter der Politik-Abteilung der „NG“, Ivan Rodin, in unseren Verträgen mit Weißrussland die Bestimmungen zu finden, auf die Wladimir Putin im „großen Interview“ mit Sergej Briljow verweist. Und hier ist das, was er ermittelt hat: 

— Konstantin Wadimowitsch, hier sind die Ergebnisse meiner Recherchen. Eine direkte, die der Russischen Föderation erlauben würde, eine Reserve von Vertretern der bewaffneten Organe für die Republik Belarus zu schaffen, war nicht zu finden. Ergo ist dies augenscheinlich eine Interpretierung allgemeiner Formulierungen aus den Verträgen. Zum Beispiel der 2010 hinzugefügte Punkt zum Artikel 2 des Vertrages über kollektive Sicherheit:

„Im Falle des Auftretens einer Gefahr für die Sicherheit, Stabilität, territoriale Integrität und Souveränität eines oder mehrerer Teilnehmerstaaten oder einer Bedrohung für den internationalen Frieden und die Sicherheit werden die Teilnehmerstaaten unverzüglich einen Mechanismus für gemeinsame Konsultationen zwecks Koordinierung ihrer Positionen in Gang setzen sowie Maßnahmen zur Gewährung von Hilfe für solche Teilnehmerstaaten zwecks Überwindung der entstandenen Bedrohung ausarbeiten und ergreifen“.

Aus der Präambel des Statuts der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit: „…Im Streben nach der Schaffung günstiger und stabiler Bedingungen für eine allseitige Entwicklung der Teilnehmerstaaten des Vertrags und die Gewährleistung ihrer Sicherheit, Souveränität und territorialen Integrität“. 

Aus dem Vertrag über die Bildung des Unionsstaates gibt es hinsichtlich der inneren Sicherheit nur so etwas: „…Bekämpfung von Terrorismus, Korruption, der Verbreitung von Drogen und von anderen Arten von Verbrechen“.

In der Deklaration über die weitere Vereinigung der Republik Belarus und der Russischen Föderation gibt es solch einen Satz: „Wird ein Mechanismus zur Realisierung einer gemeinsamen Politik in den internationalen Angelegenheiten sowie in den Fragen der Verteidigung und Sicherheit ausgearbeitet“. 

Mehr habe ich nicht gefunden. Also ist die Behauptung Putins nicht ganz genau. Aus dem Interview mit Briljow:

„Es gibt wirklich im Rahmen des Unionsvertrages, des Vertrages über den Unionsstaat, und im Rahmen des Vertrags über kollektive Sicherheit entsprechende Artikel, die lauten, dass alle Mitgliedsstaaten dieser Organisationen, darunter auch des Unionsstaates, und da gibt es insgesamt nur zwei Teilnehmerstaaten, Russland und Weißrussland, einander Hilfe sowohl beim der Schutz der Souveränität und der äußeren Grenzen als auch bei der Verteidigung der Stabilität gewähren müssen. So steht es da geschrieben.“

— Danke, Ivan. Ich hatte dies vermutet.

Ja, solch eine Rechtsgrundlage besteht für ein potenzielles Eingreifen in den innenpolitischen Kampf in Weißrussland. Das, was für die Abwehr einer äußeren Aggression vorgesehen wurde, wird für einen Machterhalt des unpopulären Diktators, der den Willen des Volkes missachtete, ausgenutzt.

Ich denke, Putin wird jetzt immer die Entscheidung des Sicherheitsrates als ein kollektives Führungsorgan mit einer namentlichen Motivierung der Abstimmung als Grundlage für alle entscheidenden politischen Entscheidungen nutzen. „Das Kollektiv ist eine große Kraft, Bruder!“, sagte man zu Zeiten der kommunistischen Utopie. Die Formel eignete sich zu Zeiten der Antiutopie… Aber dadurch hört eine Utopie als eine maximale Loslösung von der Realität nicht auf, eine Utopie zu sein, die zum Scheitern verdammt ist. Schade ist nur, dass dies mit Menschenopfern und wahrscheinlich auch mit einem Verlust des Gefühls einer Bruderschaft mit der jungen Generation noch eines slawischen Nachbarstaates der Fall sein wird…