Zum Jahresende schreibt man im russischen Internet-Segment immer mehr über eine wahrscheinliche Blockierung ausländischer Messenger-Dienste. In erster Linie betrifft dies WhatsApp (gehört dem Unternehmen Meta, das in der Russischen Föderation als ein extremistisches gelabelt wurde), der bei vielen Nutzern bereits mit Problemen arbeitet. Es kursieren auch Gerüchte, dass die Restriktionen gleichfalls Telegram tangieren werden. Seit den Sommermonaten ist es schwierig, über die beiden genannten Messengerdienste Telefonate zu führen, während staatliche und ihnen nahestehende Strukturen begonnen haben, eine Alternative zu propagieren – den Übergang zur Plattform MAX. Im Dezember bestätigte man im Ministerium für digitale Entwicklung, dass der Zugang zum Internetportal „Gosuslugi“ (deutsch: „Staatliche Dienstleist5ungen“) von mobilen Gadgets aus gerade an den nationalen Messengerdienst MAX angekoppelt wird.
Es konnte der Eindruck entstehen, dass sich in dieses Bild nicht ganz die Aussagen des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der vergangenen Woche einfügen. In einem Interview für den Fernsehkanal India Today hatte er gesagt: „Diese Messenger-Dienste – Telegram und so weiter – werden genutzt, um irgendwie die Jugendlichen zu beeinflussen. Die Jugend, sie ist etwa gleichartig. Die jungen Menschen sind stets mobiler, radikaler… Mit den Menschen muss man arbeiten. Man darf nicht sagen, dass sie ja solche seien, ganz junge, ihr versteht überhaupt nichts und ihr urteilt bei euch zu Hause, hinter der Wohnungstür. So darf es nicht sein. Man muss ständig mit den jungen Menschen im Kontakt stehen und deren Instrumente verwenden, ihren Apparat. Man muss die gleichen modernen Mittel für ein Vermitteln von Informationen an sie sowie für ein Feedback in den sozialen Netzwerken ausnutzen. Man muss dort arbeiten“.
Die aufgrund möglicher Restriktionen beunruhigten Nutzer sozialer Netzwerke, und unter ihnen sind auch politische Analytiker, haben versucht, in den Worten Putins Zeichen für Hoffnung auszumachen. Die Rede war von zwei angenommenen Einflussgruppen in den Macht-Korridoren: von einer „Partei der Aus- bzw. Abschalter“, d. h. jener, die für rigorose Restriktionen für ausländische Messengerdienste plädieren, und von den Gegner radikaler Methoden. Angeblich habe der Präsident ein Signal an den Apparat gesandt, und jetzt könne man die Pferde zügeln.
Ist dem so? Putin hatte wirklich das Thema alternativer Messengerdienste, von MAX usw. nicht weiterentwickelt. Sicherlich war dies auch in dem Gespräch mit den indischen Fernsehjournalisten nicht nötig. Solche Interviews sind oft eine Message für das ausländische Publikum, für Politiker und nicht nur für das Inlandspublikum. Allerdings könnte man in Indien, wo die Regierung ihren Messengerdienst in Smartphones als eine Alternative zu globalen installieren lässt, die Geschichte um den russischen Dienst MAX verstehen.
Existieren aber wirklich jene Einflussgruppen? Dabei würde es wohl nichts Erstaunliches geben. Das Führungssystem in Russland ist so gestaltet, dass es unmöglich ist, sehr viele Prozesse ohne ein Sanktionieren durch das Staatsoberhaupt in Ganz zu setzen. Dies betrifft auch das Internet. Natürlich ist es wichtig, dass es den Lobbyisten irgendeiner der Agenden und zu irgendeinem Moment gelingt, Zugang zum Präsidenten zu erhalten und ihm ihre Wahrheit mit ihren Argumenten zu vermitteln.
Die Elite ist keine homogene. In ihr gibt es Personen, Vertreter des alten Regimes, vorsichtige und mit einem Schutzdenken, die auf jegliche aus dem Westen kommende Neuheit instinktiv wie auf eine Bedrohung für die nationale Sicherheit reagieren und das einfachste Verfahren vorschlagen – alles verbieten und blockieren. Es gibt aber auch nicht wenige von jenen, die ein neues Leben in der modernen Welt leben und alle Bequemlichkeiten nutzen, darunter Messengerdienste, die in Gefahr geraten sind. Diese Menschen sehen keinen Sinn darin, die Schrauben bis zum Gehtnichtmehr anzuziehen.
Vielleicht ist es der zweiten Gruppe hier und jetzt gelungen, dem Präsidenten ihre Argumente vorzustellen. Er verfolgt überdies die internationale Agenda. Und in den Ländern der dritten Welt gab es in diesem Jahr starke Jugendproteste aufgrund von Internet-Einschränkungen. Aber die Stärke dieses hypothetischen „Signals des Präsidenten“ zu überbewerten, macht wohl keinen Sinn.
Die Anhänger einer Blockierung finden immer alternative – und starke – Argumente. Und die Geschichte im Zusammenhang mit der Einschränkung von Anrufen bestätigt dies. Schließlich können auch die Lobbyisten von MAX immer mit Zahlen kommen und zeigen, wie viele junge Menschen bereits diesen Messenger in ihren Telefonen installiert haben.