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Warum die Ära der Rüstungskontrolle zu Ende geht


Ohne Chinas Vertreter werden die Wiener Verhandlungen Russlands und der USA wohl kaum zu ergebnisreichen werden.

Als Antwort auf die Warnung des USA-Botschafters in Moskau, John Sullivan, vor einem negativen Einfluss des Urteils gegen den wegen Spionage verurteilten Paul Whelan auf den Dialog mit Russland erklärte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow, dass man die Beziehungen zwischen Moskau und Washington schon nicht mehr weiter verschlechtern dürfe. „Wir haben unzählig viele Fragen unterschiedlichen Maßstabs, Charakters und Schwierigkeitsgrades, die eine Klärung verlangen“, jammert der russische Diplomat.

In erster Linie erfordern die Probleme eine Regelung, die mit der Rüstungskontrolle und der strategischen Stabilität zusammenhängen. Diesem Thema sind die russisch-amerikanischen Ministerialkonsultationen gewidmet, die am 22. Juni in Wien stattfinden. Allein die Tatsache ihrer Durchführung muss, versteht sich, begrüßt werden, wie auch jegliche anderen äußerst seltenen Kontakte zwischen beiden Ländern. Ist es aber real auf eine Prolongierung des letzten der zwischen der Russischen Föderation und den Vereinigten Staaten geltenden Abkommen – des Vertrags über Maßnahmen zum weiteren Abbau und der Begrenzung der strategischen Offensivwaffen (START-3), der im Februar kommenden Jahres ausläuft — zu hoffen? 

Einerseits weicht Präsident Donald Trump auf jeder Weise internationalen Verpflichtungen aus, darunter auf dem Gebiet der Rüstungskontrolle. 2018 löste er die USA aus dem Gemeinsamen allumfassenden Aktionsplan zum iranischen Nuklearprogramm heraus. 2019 kündigte er den Vertrag über Raketen mittlerer und kurzer Reichweite auf, und im vergangenen Monat verkündete er die Entscheidung, aus dem Open-Skies-Vertrag (Vertrag über den Offenen Himmel) auszuscheiden. 

Andererseits werden alle außenpolitischen Entscheidungen Trumps von dem Streben diktiert, für eine neue Amtszeit wiedergewählt zu werden. In diesem Zusammenhang muss ihn die Perspektive beunruhigen, den Ruf eines Totengräbers der strategischen Stabilität zu verdienen. Aber nicht, weil Trump an sich über die ein halbes Jahrhundert zurückreichenden Erfahrungen aus der Kontrolle der Kernwaffen auf dem Laufenden ist. Den sensationellen Enthüllungen von John Bolton, des Ex-Präsidentenberaters für nationale Sicherheit, nach zu urteilen, gibt es im Weißen Haus kein Begreifen des Wertes solch einer Kontrolle. Und deshalb wird es unvernünftig sein, dem eigenen Konkurrenten Joseph Biden einen unnötigen Anlass für die Kritik an der Außenpolitik des amtierenden Präsidenten zu geben.  

Noch eine Erklärung hängt mit dem vom Zaun gebrochenen Informations- sowie Handels- und Wirtschaftskrieg zwischen Washington und Peking zusammen. Der vor zwei Monaten von Trump ernannte Sonderbeauftragte für Rüstungskontrolle, Marshall Billingsley, teilte mit, dass zu den Wiener Verhandlungen neben Rjabkow ein Vertreter der Volksrepublik China eingeladen worden sei. „Wird China kommen, wird es bona fide die Verhandlungen führen?“, schrieb er in seinem Twitter-Mikroblog. Obwohl man in Washington verstehen musste, dass die Einladung in Peking kategorisch abgewiesen wird, das nicht zu erklären aufhört, dass sein Nukleararsenal um ein Vielfaches hinter dem russischen und dem US-amerikanischen zurückliege. „Die Überlegungen einzelner amerikanischer Beamter über die Durchführung von Verhandlungen zu Fragen der Kontrolle über Nuklearwaffen erscheinen uns als absurde“, erklärte erneut der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Zhao Lijian. Die Ablehnung Pekings gibt Washington den Anlass, das Ende der Rüstungskontrolle mit der globalen politischen und geostrategischen Verantwortungslosigkeit Chinas in einen Zusammenhang zu stellen. Schließlich bezeichnet B Billingsley dessen Teilnahme an den Verhandlungen als eine Schlüsselbedingung für die Prolongierung von START-3.  

Im Großen und Ganzen macht es keinen Sinn, die Tatsache der Konsultationen in Wien zu überschätzen. Früher wurden bereits derartige Verhandlungen durchgeführt, doch glänzten sie leider nicht mit ihren Ergebnissen. Nach Meinung von Experten für internationale Sicherheit werde, auch wenn sich ein realer Fortschritt im Dialog zwischen Moskau und Washington zu den Fragen der strategischen Stabilität abzeichnen sollte, dies nicht früher als im Jahr 2021 erfolgen. Folglich bestehe die Aufgabe jetzt darin, sich auf eine neue strategische Realität vorzubereiten.  

https://www.ng.ru/editorial/2020-06-18/2_7889_editorial.html