Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Wer wird im Namen der Russischen orthodoxen Kirche ins Parlament einziehen?


Christlich orthodoxe Aktivisten haben die Absichten erklärt, an den Parlamentswahlen im Herbst teilzunehmen. Sie werden mit einer radikalen und oppositionellen Tagesordnung antreten. Dabei hatte Patriarch Kirill früher erklärt, dass die Kirche die Seite von keinem einnehmen und unter anderem nicht in Opposition zu den Herrschenden gehen dürfe.

„Das Bündnis traditionalistischer und patriotischer Kräfte „Sorok Sorokow“ (ein Phraseologismus, der einst die Gesamtheit der Moskauer Kirchen symbolisierte und heute mitunter auch mit „40 x 40“ übersetzt wird – Anmerkung der Redaktion) wird zu den Wahlen zur Staatsduma im Jahr 2021 antreten“, gab der Führer der Bewegung Andrej Kormuchin auf dem Forum „Russland der Zukunft“ bekannt, das im Maria-Schutz-und-Fürbitte-Nonnenkloster in Moskau stattfand. Seinen Worten zufolge sei geplant, Kandidaten aus dem „Volk der Tiefe (der Provinz)“ in die föderale Liste der Partei „Russisches allgemeines Volksbündnis“ von Sergej Baburin aufzunehmen. „Wenn dies aufgrund unterschiedlicher objektiver Ursachen nicht geschieht, sind wir als eine gesellschaftliche Organisation bereit, unabhängige Kandidaten zu nominieren und bei den Wahlen zu unterstützen“, präzisierte Kormuchin. „Bis zum heutigen Tag hat es bei uns nicht eine Partei oder gesellschaftspolitische Vereinigung gegeben, die im Interesse der Traditionalisten oder des tiefen Volkes gehandelt hätte… Wir sind hier, um zu sagen: Wir gehen an die Macht, um zu siegen!“. Ihre Resolution postete die Bewegung in den sozialen Netzwerken am 28. April. Diesem Eintrag nach zu urteilen, lässt sich Baburin doch auf ein Bündnis mit „Sorok Sorokow“ ein.

Zuvor hatte in Moskau, im Haus des Verbands der Schriftsteller Russlands die Gründung der neuen gesellschaftlichen Vereinigung „Heilige Gefolgschaft“ stattgefunden. Sie bildeten vier Organisationen – „Konservator“, „Dreieiniges Russland“, der Bund der orthodoxen Kirchenfahnenträger und die Assoziation christlich orthodoxer Experten. Es sei betont, dass diesen Namen auch die Schwarzhunderter-Bewegung hatte, die 1881 aufgetaucht war und gegen die revolutionären Volkstümler kämpfte.

Während die heutige „Heilige Gefolgschaft“ von beschützenden Positionen aus auftritt, so erklangen im Auftritt von Kormuchin eher oppositionelle Motive. Der Anführer der 2Sorok Sorokow“ forderte, vollkommen die Fernausbildung zu liquidieren und formulierte andere Punkte einer Tagesordnung, mit der üblicherweise COVID-Dissidenten auftreten. Es versteht sich, beide Bewegungen schicken sich an, die Interessen des russischen Volkes und der Russischen orthodoxen Kirche zu verteidigen. Die nationalistischen Forderungen, die auf beiden Versammlungen erklangen, widersprechen in Vielem der Politik zur Bewahrung des zwischennationalen und interreligiösen Friedens, die die Regierung Russlands verfolgt.

Bemerkenswert ist, dass Patriarch Kirill noch vor kurzem erzählte, wie man 1993 der Russischen orthodoxen Kirche angetragen hatte, den Widerstand gegen Präsident Boris Jelzin anzuführen. Aber er, damals Metropolit, der für die auswärtigen Kirchenkontakte zuständig gewesen war, hatte diesen Vorschlag der Verteidiger des Weißen Hauses (Gebäude der russischen Regierung in Moskau – Anmerkung der Redaktion) abgelehnt. „Wenn die Kirche, indem sie sich mit der einen oder anderen politischen Kraft identifiziert, zu einem Faktor des politischen Kampfes wird, kann sie da etwa sowohl eine Autorität oder ein Haus und eine geistige Mutter für alle bleiben? Ja, niemals!“, erklärte da das Oberhaupt der Russischen orthodoxen Kirche seine Position. Jedoch stehen sowohl die Bewegungen, die der „Heiligen Gefolgschaft“ beigetreten sind, als auch „Sorok Sorokow“ dem Kirchen-Establishment nahe. Und deren Vertreter nehmen regelmäßig an Veranstaltungen unter Leitung des Patriarchen teil. Das Kloster, in dem das Forum „Russland der Zukunft“ stattfand, hat den Status eines Stauropegion-Klosters, das heißt, es befindet sich unter der direkten Verwaltung des Patriarchen. Und es gab nichts Erstaunliches, dass die Worte Kormuchins über einen Marsch an die Macht in einem Saal erklangen, der mit einem Porträt von Patriarch Kirill geschmückt ist.